Kinder ernst nehmen – was heißt das im Alltag?

Seine Kinder ernst nehmen, ihren Willen, ihre eigene Persönlichkeit und ihre Gefühle zu respektieren ist der Grundstock für gelungene Erziehung. Davon bin ich überzeugt. Wer seine Kinder ernst nimmt hilft ihnen ins Leben. Kinder ernst zu nehmen ist praktisch das Destillat aus tausenden Erziehungsratgebern (ja, ich habe viele davon gelesen). Wer seine Kinder ernst nimmt, der braucht sich um andere Fragen der Erziehung eigentlich keine Gedanken mehr zu machen. Aber was bedeutet es eigentlich die Kinder ernst zu nehmen? Hier ein paar Beispiele:

Babys ernst nehmen

Das geht schon am Anfang des Lebens los, wenn mit einer engen Bindung der Grundstein für lebenslanges Vertrauen gelegt wird. Die Attachment Parenting Bewegung gibt es schon seit einigen Jahrzehnten und sie erfreut sich steigender Beliebtheit. Es geht dabei darum, zum Baby von Anfang an eine enge Bindung zu pflegen. Es viel zu tragen, möglichst ausgedehnten Körperkontakt zu haben, gemeinsam zu Schlafen, auf die Signale des Babys zu hören und es versuchen zu verstehen. Kurz gesagt: Das Baby und seine Bedürfnisse ernst zu nehmen. Und natürlich später auch das größere Kind. Ich empfehle gerne das Buch von Susanne Mirau Geborgen wachsen: Wie Kinder glücklich groß werden und Eltern entspannt bleiben*

Essenswünsche ernst nehmen

Und dann wird das Kind größer und soll seinen ersten Brei essen – will es aber vielleicht nicht. Wir könnten als Eltern auf diesen Hirsebrei oder die gematschten Karotten beharren. Und es dem Kind solange anbieten, bis es nachgibt. Könnten wir. Sollten wir aber nicht. Das ist das Konzept des baby led weaning. Bedeutet soviel wie: Das Baby kann selbst entscheiden was und wieviel von was es essen möchte. Es kann sich die Erbsen raussuchen oder die klein geschnittenen gekochten Möhrchen. Oder was auch immer. Das Baby wird damit von Anfang an in den Essensprozess einbezogen und mit seinen Wünschen ernst genommen. Natürlich auch mit seinen Brei-Wünschen. Es ist an den Eltern auf eine ausgewogene Ernährung zu achten und immer wieder verschiedene Sachen anzubieten. Wie das geht, dazu gibt es zahlreiche Bücher, zum Beispiel das hier: Baby-led Weaning – Das Grundlagenbuch: Der stressfreie Beikostweg*

Gefühle ernst nehmen

Wir alle kennen das: Ein Kind fällt hin und sofort sagt ein Erwachsener: „Nix passiert“, „nicht weinen“, „stell Dich nicht so an“ oder sonst etwas in diese Richtung. Ich finde das äußerst bedenklich. Denn natürlich tut es weh, wenn man hinfällt und natürlich ist es ärgerlich und zum Weinen. Einem Kind macht es doch keinen Spaß zu weinen. Was wirklich hilft: Das Kind dabei unterstützen, den Grund des Weinens in Worte zu fassen, es in seinem Gefühl bestärken und ihm wieder raushelfen. „Oh, Du bist hingefallen, das ist mir auch schon mal passiert, das tut sehr weh, ich weiß. Und ärgerlich ist es auch noch. Meinst Du, Du kannst trotzdem weiterspielen?“ Kinder werden davon keine Weicheier. Sie lernen dadurch vielmehr ihre Gefühle einzuordnen. (übrigens nicht nur den Schmerz, sondern die Scham, die Angst und und und). Deshalb finde ich auch wir sollten sie nicht für´s tapfer sein belohnen.…. Wer seine Gefühle einordnen kann wird von selbigen nicht überfordert, sondern kann sie schnell überwinden. Ergänzend können Bücher Kindern helfen, Gefühle zu verstehen. Wir lieben dieses hier: Ich bin doch keine Zuckermaus* Oder schau doch später noch in meinem Artikel speziell über Aufklärung vorbei.

Kinder ernst nehmen und mitmachen lassen

Oft muss es schnell gehen. Das ist in allen Familien so. Aber oft ist auch Zeit. Genügend Zeit dafür, dass Kinder selbst probieren und selbst mit anpacken dürfen. Aussuchen, welchen Schuh sie zuerst anziehen und entscheiden, ob sie selbst laufen oder getragen werden wollen. Kinder ernst nehmen heißt auch, sie nicht wie eine Puppe zu behandeln und wortlos an ihnen notwendige Dinge zu verrichten, sondern zu erklären und anzuregen und zwar in angepasster Geschwindigkeit.

Kinder ernst nehmen – geht nur gewaltfrei

Wer seinen Kindern auf die Finger haut oder noch schlimmer sie anderweitig körperlich bestraft (und das tun viele Menschen – dazu gibt es Studien) der kann sie überhaupt nicht ernst nehmen. Ernst nehmen hat etwas mit Respekt zu tun, damit, dass alle gleich viel wert sind. Mit Achtung, mit Vorbild sein. Kinder ernst nehmen heißt ihre Beweggründe verstehen wollen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.

Kinder als Kinder ernst nehmen – die Sache mit der Authorität

All das, dass wir die Kinder ernst nehmen sollten heißt übrigens nicht, dass die Kinder alles entscheiden dürfen. Einige Ratgeber sind der Überzeugung, dass Kinder kooperieren wollen. Das kann sein. Ich mag die Theorie. Aber in der Praxis glaube ich, dass Kindern ein paar Grenzen nicht schlecht tun – im Gegenteil, ich weiß, dass ich die Sicherheit, zu wissen was ich darf und was nicht als Kind auch sehr genossen habe. Übrigens halten auch die Begründer des Attachment Parenting Bill und Martha Sears etwas Autorität nicht für schlecht. Kinder sind Menschen, aber sie sind keine Erwachsenen. Kinder dürfen ihre Meinung haben und ihren Willen, aber ob er diesmal durchgesetzt werden kann, das müssen Mama und Papa entscheiden. Beim Zähne putzen, Spritze bekommen, Blut abnehmen, beim Familienurlaub, beim Abendessen, beim ein Stück Gemüse probieren und und und….

Mein Fazit:

Eltern sollten bestimmen – aber nicht über die Kinder hinweg entscheiden. Sie sollen erklären und Gefühle und Wünsche nicht verleugnen, sondern ernst nehmen. Sie sollten Richtungen vorgeben aber die Kinder selbst gehen lassen. So jedenfalls sehe ich das. Und Du? Ich freu mich Deine Meinung!

 

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14 Gedanken zu „Kinder ernst nehmen – was heißt das im Alltag?“

  1. Ich wurde als Kind nie ernst genommen. Gefühle wie Trauer, Wut oder Angst wurden verlacht und wenn ich (auch objektiv berechtigt) wegen etwas geweint habe, hieß es nur: „Hör auf! Du treibst mich in den Wahnsinn!“ und und und. Auch wurde ich oft fürs Weinen geschumpfen, teilweise auch geschlagen und meine Klassenlehrerin hat mal wortwörtlich zu mir gesagt: „Wenn jemand aderer weint, dann ist das schlimm. Wenn du weinst gilt es nicht, muss man gar nicht erst nachschauen.“ Das hat mich damals sehr verletzt.
    Das Problem ist, jetzt bin ich inzwischen 19 und meine Eltern nehmen mich immer noch nicht ernst. Mein Vater sagt (mit einer Stimme, als würde er mit einer 3-jährigen reden) zu allem was ich sage ‚ja‘, verspricht was, löst es aber nie ein. – Und meine Mutter bemüht sich gar nicht erst, mir wirklich zuzuhören und mich zu verstehen. Wenn ich Sorgen oder Wünsche äußere, wenn ich ihre Hilfe brauche, nimmt sie mich auch heute leider kein Stück ernst.
    Oft kommt mir vor, in meinen Eltern ist das Bild von mir als ich 7 war oder so verankert und sie sehen einfach nicht, dass ich inzwischen 19 bin, auch weiß was ich will, Entscheidungen selbst planen und zuende denken kann, dass auch ich einmal weiß was gut für mich ist, nicht mehr nur sie. Denn oft, so kommt es mir vor, wollen sie mich vor mich selbst beschützen, obwohl sie das nicht müssten und legen mir so unnötig große Steine in den Weg zu meinen Zielen. Auch nahmen und nehmen sie meine Ziele auch nicht erst, sie sagten immer, ich stecke sie mir zu hoch oder in 3 Jahren will ich es nicht mehr. Was nicht der Fall war und ist, aber in Entmutigung war meine Mutter immer schon gut. Zum Beispiel: Mit 11 kam ich drauf, ich könnte eventuell Lehrerin werden. Mit 14 sagte ich es nochmal, dann wurde ich ausgelacht, dann sagte ich es mit 17, mit 18 und jetzt mit 19 und immer noch zweifeln sie daran, dass ich das wirklich anpacken will. Mir so langsam ein Rätsel, wie man jemanden so lange nicht ernst nehmen kann.
    – Und das Schlimmste ist, meine Eltern reflektieren einfach null. Meinem Vater ist das zu lästig und meine Mutter hat einfach immer recht! Basta! Und wenn man einen Sündenbock braucht, ist ja immer jemand da, der in der Familie irgendwie nicht gleichberechtigt zu sein scheint, aufgrund seines Alters. Der Sündenbock muss dafür gar keine Schuld haben. Die Erwachsenen haben die Macht, fertig! So lief und läuft es in meiner Familie.
    Der Artikel übrigens war wirklich gut. War wirklich ausführlich und nützlich geschrieben.

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    • Ohje. Das klingt heftig. Jetzt, wo Du erwachsen bist, wünsche ich Dir sehr, dass Du Dich davon frei machen kannst, auf die Meinung Deiner Eltern angewiesen zu sein. Geh Deinen eigenen Weg und sei mit Dir selbst im Reinen. Das wünsche ich Dir von Herzen!Liebe GRüße
      Katharina

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      • Hallo,
        ich wurde als Kind leider nicht ernst genommen, weder meine Gefühle, noch ich selbst in irgendeiner Art und Weise. Ich wurde so erzogen, wie meine Eltern mich haben wollten und nicht als eigene Persönlichkeit.
        Heute habe ich sehr damit zu kämpfen, auch meinen Kindern gegenüber und muss es lernen.
        Ich bekomme seit Jahren Hilfe dabei und konnte diese Hilfe lange Zeit nicht annehmen.
        Jetzt nehme ich die Hilfe an und merke, wie es meinem Kind und mir Stück für Stück besser geht und wir immer weniger Streiten.
        Wir reden miteinander und das fühlt sich endlich richtig an, wo wir vorher immer wieder ein trauriges Gefühl hatten. ❤️

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  2. Ein wunderbarer Text und für mich sehr erhellend. Als ich schwanger wurde, wusste ich, was ich anders machen wollte als meine Eltern (genauer genommen mein Vater). Mir war nur nicht klar, wie das in Worte fassen. Du hast es hiermit getan: Mein Kind respektieren.
    Als Kind wurde mir immer erklärt, ich müsse Eltern, Lehrer, Erwachsene respektieren. Einfach, weil sie Erwachsene waren. Als Erwachsene habe ich gelernt, Respekt müsse man sich erst verdienen.
    Schon lange vor meiner Schwangerschaft habe ich mich gefragt, weshalb man sich nicht auch als Erwachsener, auch als Eltern, nicht erst den Respekt der Kinder verdienen müsste, sondern dieser einfach vorausgesetzt wird.
    Ich denke, wer seinen Kindern keinen Respekt entgegen bringt, kann sie auch nicht zu respektablen Menschen erziehen.
    Und als erstes werde ich aufhören, meinem 3,5 Monate altem Baby einzureden, es wäre alles gut, nur weil ich den Grund für ihr Weinen nicht sehe oder verstehe. Eigentlich war es gut gemeint, um sie zu beruhigen. Aber ich kapiere auch, dass es blödsinnig ist, etwas beruhigen zu wollen, was man nicht versteht. Nochmals danke.

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  3. Ach, was für ein schöner Beitrag. Und er entspricht ganz meiner Meinung. Mir selbst ist viel zu oft ein “ist doch nicht so schlimm” rausgerutscht. Für mein Kind war es aber schlimm, und jetzt weiß ich, dass ich es ernst nehmen muss. Wir sprechen dann über die Gefühle oder ich fasse sie in Worte: du fühlst dich ganz schön traurig, dass deine Fußballkarten verknickt sind? Mittlerweile können die Kinder viel besser selbst in Worte fassen, wie sie sich fühlen. Sie wissen, dass sie traurig, enttäuscht, sauer sein dürfen. Viele Erwachsene haben das nie gelernt, und meiner Meinung nach rühren da viele Depressionen her: Gefühle nicht erkennen und nicht für ernst nehmen. Danke für den Text. Liebe Grüße, Laura

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    • Das ist ja genau das Problem. Ich bin kein Psychologe, aber ich habe den Eindruck, dass tatsächlich viele Menschen ihre Gefühle überhaupt nicht einordnen können. Wie auch, wenn sie es nie gelernt haben. Sie wissen überhaupt nicht was sie wollen und empfinden. Das will ich für meine Kinder vermeiden.

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  4. Schöner Beitrag! 🙂 Ich bin gerade in der (ersten) Banyphase. Meine Tochter ist jetzt 8 Wochen alt und wir bemühen uns, ihre Bedürfnisse richtig zu deuten / erraten. Manchmal bin ich aber noch etwas schwer von Begriff. Da trage ich sie zum Beispiel durch die Gegend, wiege sie im Arm, schmuse, wechsle die Windel – und am Ende hatte sie einfach nur Hunger 😅
    Aber ich lerne jeden Tag dazu und hoffe, dass Ich ihre Bedürfnisse bald besser deute. Und dass mir am Ende eine gute Erziehung mit Liebe und Respekt füreinander gelingt …

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    • Das ist ja eben gerade das Problem. Wenn Eltern als Kind nicht ernst genommen wurden, fällt es ihnen vermutlich auch schwerer ihre Kinder selbst ernst zu nehmen. Aber ich bin überzeugt, dass dieser Weg langfristig, der angenehmste, erfüllendste und auch der entspannteste ist;-)

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      • Auf jeden Fall! Kinder ernst zu nehmen sollte immer das erste Ziel sein. Ich habe das als Mutter und Lehrerin viele Jahre geübt. Es ist nicht immer gelungen, aber so ist es eben im Leben. Wichtig ist, dass man es merkt und seine Einstellung zu den Kindern immer wieder überprüfen und ändern kann. Liebe Grüße! Regine

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  5. Hallo Katharina!

    Wunderbar zusammengefasst!
    Ich finde auch, dass es für die Entwicklung der Kinder von größter Bedeutung ist, dass Erwachsene sie ernst nehmen, sie in ihrer eigenen Persönlichkeit wahrnehmen und sie respektieren.

    Wir erwarten immer, dass Kinder Respekt Erwachsenen gegenüber zeigen. Wie sollen sie das lernen und auch als gerechtfertigt erleben, wenn sie selber das Gefühl nicht vermittelt bekommen?!

    Vielen Dank für deine Gedanken!

    Schöne Grüße
    Veronika

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    • Meine Eltern sind auch so. Sie lachten mich früher schon aus und ich war immer das schlimme Kind, was man bestrafen musste, weil ich angebiich etwas nicht wollte und sie das befehlen wollten. Es ging denen immer nur um ihre eigene Ansicht und wenn ich verlangt habe, das wir gemeinsam drüber sprechen, kam die Gegenfrage und der Vorwurf, das ich sie ja unmöglich behandeln würde und ob ich nicht mal langsam mich in mein Zimmer etc. zurückziehen wollte. Jetzt sind sie alt und ich bin erwachsen und soll immer kommen zum helfen oder einfach Zeit mit meinem Vater verbringen. Mutter geht noch bis nächstes Jahr arbeiten, dann geht sie auch in Rente und scheucht mich immer weg. Egal, was ich mache, es ist und war schon immer falsch.

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      • Hallo zusammen
        Ich fand den Artikel sehr gut.Ich habe seit fünf Jahren kein Kontakt mehr zu meinen Eltern.
        Das war ein langer und immer wieder schmerzlicher Weg.Ich habe Ihnen aber in einem Brief erklärt warum es für mich nicht mehr möglich ist.Ich finde jeder Mensch hat Respekt verdient und das er ernst genommen wird egal in welcher Beziehung ich zu einem Menschen stehe.Niemand hat das Recht meine Gefühle und meine Vorstellungen mit Füssen zu treten.Auch nicht meine Eltern.Jeder Mensch hat das Recht nach seinen Vorstellungen zu leben und das aus seinem Leben zu machen was er sich wünscht.Ich habe selber zwei Erwachsene Kinder und versuche es bei Ihnen besser zu machen,ihnen zuzuhören und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen.
        Aber zweifellos machen alle Eltern nicht alles richtig. Aber ich kann mit meinen Kindern zusammen einen Weg suchen und finden wenn ich das wirklich möchte.
        In diesem Sinn bleibt bei euch selber,Ihr habt nur ein Leben das ihr das Recht habt so zu leben und auszufüllen wie Ihr wollt.
        .

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