Nur der Eisberg bleibt: So ändert sich die Kommunikation mit Kindern

Reden kann er ja nicht, der Bub. Zumindest nicht richtig. Aber das braucht er auch gar nicht. Denn meistens wissen wir auch so was er meint. Wie er mich streng anschaut, seine Hand ausstreckt und „gschschscht“ macht, wenn ich ihm helfen will und er es alleine schaffen möchte. Wie er mit den erhobenen Händen wedelt und hektisch pustet, wenn er sagen will, dass etwas heiß ist. Oder wie er die Händchen ausstreckt, wenn er gekuschelt und getragen werden möchte.

Wie er tüüüüüs ruft und winkt, wenn ich endlich gehen soll. Wie er extatisch jault, wenn er eine Katze oder einen Hund sieht, weil er sie gerne streicheln will. Und wie er mir nach dem Kindergarten beim Gang durch den Garten erzählt wie er heute von der Wippe gefallen ist. Und zwar so: Er hat mit den Armen auf die Wippe gezeigt, mit dem Körper wippende Bewegungen gemacht, dann hat er „bumms“ gesagt und „Aua“ und auf seinen Arm gezeigt. Ist das nicht wunderbar? Wie er Geschichten erzählt ohne Worte zu benutzen? Ich finde es wunderbar. Eigentlich versteh ich ihn ganz gut. Meistens zumindest.

Und manchmal – da versteh ich ihn nicht

Wenn es sein Lieblingsessen gibt und er es aus Wut gegen die Wand pfeffern muss, statt es einfach zu essen, da wünschte ich er könnte reden. Vielleicht ist es ja nur die falsche Gabel oder der Weltschmerz. Vielleicht ärgert ihn irgendwas tief drin was heute im Kindergarten war. Oder es steht ihm ausgerechnet heute einmal der Sinn nicht nach Nudeln, sondern nach Brokkoli. Wer weiß das schon? Ich würde es gerne wissen.

Die Sache mit dem Eisberg und der Kommunikation

Es gibt da ja so eine Theorie. Und die gefällt mir und die hilft mir, die Kinder besser zu verstehen: Das Eisbergmodell. Bei einem Eisberg ist es ja so, dass nur ein kleiner Teil sichtbar ist. Die große Masse des Eisberges liegt unter Wasser im Verborgenen. So ist es auch bei Kindern und bei der Kommunikation mit ihnen. Was sie sagen und wie sie sich verhalten, ist der sichtbare Teil, was sie fühlen, erlebt haben, ihr Beziehungsverhalten und so weiter: Das liegt im Untergrund. Wie sie sich sichtbar verhalten, das hat seine Ursache auch im Verborgenen. Dieses Verborgene auch zu sehen, das ist die große Kunst. In jedem Alter. Und auch bei sich selbst.

 Ja – das betrifft nicht nur die Kleinsten

Auch meine große Tochter hat ihren Gefühlsrucksack – den verborgenen Teil des Eisbergs – immer dabei. Wenn sie ihren Bruder nachmacht, damit auch mal jemand zu ihr sagt, wie süß sie ist, zum Beispiel. Dabei sind es ganz andere Dinge, die meine Tochter wunderbar machen. Sie entdeckt gerade die größere Welt für sich und fragt mich manchmal mitten im Spiel: „Mama, wie ist Mogli eigentlich zu den Wölfen gekommen?“ und  „Eskimos sind keine Menschen, oder? Das sind sowas wie Eisbären“ und „haben Bäume eigentlich auch Ärzte?“ oder „was ist denn eigentlich Kunst?“.

Die meisten dieser Fragen lassen sich nur äußerst ausführlich beantworten und bei manchen muss ich auch erst nachschlagen oder nachdenken. Nicht bei den Eskimos, da war ich mir sicher. Aber ansonsten wollen solche Antworten schon gut überlegt sein, denn das habe ich schon erfahren: Mein Kind hört zu und wenn sie erneut fragt, tut sie das manchmal um sicherzugehen, dass die Antwort immer noch die Selbe ist. Und sie will mit der Antwort erfahren, wie sehr ich ihr zuhöre und mir Mühe gebe. „Das ist eben so“ kommt daher nicht in Frage. Mit der Antwort geben wir schließlich auch Wertschätzung weiter. Wobei ich diese Wertschätzung auch im Gegenzug erwarte. Hundertmal „Warum?“ ohne nachzudenken. Das muss ich nicht beantworten.

Und so ändern sich die Unterhaltungen mit den Kindern über die Jahre

Ich kann gar nicht sagen, welche Art der Kommunikation ich zauberhafter finde. Ich finde sie alle wunderbar. Jede in ihrer Entwicklungsphase mit den dann vorhandenen Fähigkeiten. Und jede Phase hat ihren Sinn und ihre Einzigartigkeit. Nur eines bleibt: Die Herausforderung, die verborgenen Mitteilungen herauszuhören, den Eisberg als Ganzes zu sehen und nicht nur den Teil, der aus dem Wasser ragt. Und sich einzugestehen, dass man sie manchmal einfach nicht versteht, weil ein Kind eben eine eigene Persönlichkeit ist. Und die kann manchmal ganz schön kompliziert sein.

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