Elternzeit und Elterngeld: Was sich ändern sollte

Ich finde das Elterngeld eine tolle Sache: Zwei Drittel des bisherigen Gehalts dafür, dass man sich ein Jahr lang rund um die Uhr um den Nachwuchs kümmert. Dazu noch Elternzeit: Eine Auszeit von bis zu drei Jahren, in denen man versichert ist und der Arbeitsplatz freigehalten wird. Hört sich alles klasse an. Ist es auch – das meiste jedenfalls. Manches finde ich beim Elterngeld wirklich falsch. Und – nein – es ist nicht in erster Linie die Höhe. Natürlich wäre mehr besser. Keine Frage. Aber es sind andere Punkte, die mir wirklich sauer aufstoßen, weil ich sie als ungerecht empfinde.

1. Das Elterngeld hängt vom Netto-Gehalt ab

Wer, nachdem er von der Schwangerschaft erfahren hat oder noch direkt in der Babyplanungsphase, von dieser Regelung erfahren hat, der hat Glück, denn ein schneller Wechsel der Steuerklasse bringt einem in Sachen Elterngeld einen erheblichen Vorteil. Das Elterngeld wird schließlich nicht nach dem Bruttogehalt berechnet, sondern nach dem, was man tatsächlich aufs Konto überwiesen bekommt. Wer in der Schwangerschaft nichts von dieser für mich absurden Regelung erfährt, muss mit weniger zurecht kommen. Das geht doch nicht. Ein Beispiel:

Anna erwartet ihr erstes Kind. Sie hat bisher 3000 Euro brutto verdient, sie ist verheiratet und weil ihr Mann besser verdient als sie, ist sie in Steuerklasse 5. Das ist ein recht häufiger Fall. Ihr zu erwartendes Elterngeld liegt bei 968,14 Euro. Zwei Drittel ihres Nettogehaltes. Wäre sie in Lohnsteuerklasse 3 so bekäme sie mehr Nettogehalt und damit auch mehr Elterngeld – und zwar 1356,46 Euro. 400 Euro Unterschied, wenn Anna rechtzeitig wechselt. Wahnsinn eigentlich.

Mir ist klar:

Das Elterngeld soll das tatsächlich verfügbare Einkommen zu einem Teil ersetzen, daher wird auch das tatsächlich verfügbare Einkommen zur Berechnung herangezogen. Trotzdem: In vielen Familien ist es eben so, dass „zusammengeworfen“ wird. Das spiegelt doch auch die Gemeinsamveranlagung bei der Steuererklärung wider. Viele Familien entscheiden sich daher dafür, dass derjenige mit dem niedrigeren Gehalt (häufiger die Frauen) in der „schlechteren“ Steuerklasse ist. Häufig nehmen auch die Frauen den größten Teil der Elternzeit. Sehr viele Familien könnten mit einem Wechsel der Steuerklasse viel mehr für sich rausholen. Zumindest nach der Geburt des Kindes.

Für den Moment jedoch würde die Familie beim Wechsel verlieren, denn wenn Anna mehr Netto vom Brutto bekommt wird ihr Ehemann entsprechend weniger Netto bekommen. In der Summe haben sie für den Moment daher weniger Geld in der Tasche. Nur um es später bei der Steuererklärung und dann eben bei der Auszahlung des Elterngeldes wieder zu bekommen. Ziemlich unfair. Vor allem, weil die wenigsten Familien sich diesen Ausfall im Tagesgeschäft leisten können.

Dazu kommt, dass durch diese Regelung der Einkommensunterschied beider Partner im Falle einer gemeinsamen Elternzeit prozentual noch größer wird als vorher. Denn schließlich wird beim Elterngeld für denjenigen mit der besseren Steuerklasse auch dessen höheres Nettogehalt zur Berechnung der Höhe herangezogen.

2. Elterngeld wird auf Hartz4 angerechnet

Seit 2011 wird das Elterngeld vom Hartz4 abgezogen. Vorher gab es das Elterngeld zusätzlich. Beim Kindergeld ist es schon lange so, dass es angerechnet wird. Elterngeld soll das bisherige Einkommen teilweise ersetzen. Wer vorher keins hatte kriegt nachher auch keins, das ist die runtergebrochene Begründung. Aber krass ist es schon: Kein Kindergeld und kein Elterngeld? Das macht die Schere zwischen arm und reich nur größer. Einen Elterngeldantrag müssen Hartz4-Familien übrigens dennoch stellen.

3. Elterngeld beim zweiten Kind

Viele Mütter arbeiten nach der Geburt ihres ersten Kindes und der entsprechenden Elternzeit nur noch in Teilzeit. Eine Vollzeitstelle mit Kleinkind ist schwer zu machen. Kein Wunder also, dass das Gehalt vieler Mütter zwischen den Kindern deutlich niedriger ist als vor der Geburt. Falls sie überhaupt so schnell wieder eine Stelle finden. Bekommt eine Frau nun ein zweites Kind ohne zwischen den beiden Geburten (Vollzeit) gearbeitet zu haben schaut sie in die Röhre. Denn (außer die Geburten liegen wirklich dicht beieinander) wird das Elterngeld eben nach dem Einkommen der letzten Monate berechnet. Und das ist oft gering. (Das Problem mit der Steuerklasse wird hier erneut sichtbar) Der finanzielle Abstieg geht immer schneller. Eine mögliche Lösung könnte sein, dass der Zeitraum in dem das zweite Kind geboren werden darf, um das Elterngeld von Kind 1 weiter beziehen zu können, verlängert wird.

4. Private Versicherung

Es scheint ein Luxusproblem zu sein: Private Versicherung. Aber in Wahrheit ist es aus meiner Sicht eine echte Ungerechtigkeit. Wer privat versichert ist, der muss während seiner Elternzeit seine Krankenversicherung selbst bezahlen. (Außer er hat rechtzeitig in einen entsprechenden Tarif gewechselt). Bei gesetzlich Versicherten werden die Kosten für die Krankversicherung während der Elternzeit ausgesetzt. Fair geht anders. Und noch ein Punkt, der die Versicherung, wenn auch nicht die Elternzeit direkt, betrifft. Ein Kind muss (ab einem bestimmten Jahreseinkommen des privat versicherten Elternteils) kostenpflichtig in die private Versicherung und wird von der GKV nicht in die Familienversicherung des gesetzlich versicherten Partners aufgenommen. Sicher kann man argumentieren, dass wer sich privat krankenversichern kann, auch die Versicherung für seine Kinder bezahlen kann, aber es geht ja um Fairness. Und nicht nur Superreiche sind privat versichert, sondern zum Beispiel auch Beamte. Und da gibt es einige, die nicht übermäßig viel verdienen.

5. Auslaufender Vertrag während der Elternzeit – Pech gehabt

Das ist ein Punkt, der mich tatsächlich getroffen hat. Mein Arbeitsvertrag war befristet und während der Elternzeit ist er ausgelaufen. Wäre mein Vertrag unbefristet gewesen, wäre ich drei Jahre lang über die Elternzeit versichert gewesen. Nachdem der Vertrag ausgelaufen ist, muss ich nun die Versicherung selbst bezahlen. Die drei Jahre Elternzeit gelten eben nur, solange der Anstellungsvertrag läuft. Selbstständige gucken in die Röhre. Schade – und ganz schön unfair.

6. Deckelung auf 1800 Euro

Elterngeld wird nur bis zu einer Höhe von 1800 Euro bezahlt – das juckt mich persönlich jetzt nicht, denn über diese Grenze bin ich nicht drüber gekommen. Warum ich mich trotzdem drüber aufrege? Weil ich es unfair finde! Sind nicht alle Eltern gleich wertvoll für ihr Kind? Warum soll ein Gutverdiener nicht mit dem Elterngeld die Chance haben etwas mehr Zeit mit seinem Kind zu verbringen?

Stell Dir die Situation vor: Ein Gutverdiener mit einem Nettogehalt von 3500 Euro will seine beiden Partnermonate nehmen. Der Ehepartner, der den Löwenanteil der Elternzeit genommen hat, verdient deutlich weniger als er. Nun muss die Familie de facto damit leben, dass der Hauptverdiener auf die Hälfte seines Einkommens verzichtet. Keiner will vom Elterngeld reich werden, aber dass man runterfällt auf 1800 Euro (plus vielleicht einem 450 Euro Job des Partners) find ich schon heftig und eine Ungleichbehandlung….. Wenigstens für zwei Partnermonate sollte diese Grenze aus meiner Sicht angehoben werden.

Wie ich es gemacht habe

Ich bin ein großer Fan des Elterngeld plus und hatte es auch während meiner Elternzeit. Dafür habe ich aber zwischen den Kindern Vollzeit gearbeitet. Wir hatten da Kind Nummer 2 schon geplant und ich wollte unbedingt ein möglichst großes finanzielles Kissen aufbauen. Ich fand es ganz schön hart.

Und in der Elternzeit habe ich schnell wieder angefangen zu arbeiten. Zwar nur stundenweise, aber dennoch. Das Elterngeld plus ist ja nur halb so hoch wie das klassische Elterngeld und wird dafür doppelt so lange bezahlt. Während der Elternzeit waren meine Versicherungen bezahlt und ich konnte etwas dazuverdienen. Das finde ich schon ein gutes System, das es Eltern erlaubt beides zu schaffen: Kind und Arbeit. Ein Jahr nur zu Hause wie beim klassischen Elterngeld – das habe ich bei meinem ersten Kind gemacht, aber da fand ich den Einschnitt nach einem Jahr ziemlich heftig. Mein Mann hat keine Elternzeit genommen. Das konnten wir uns schlicht nicht leisten. Die finanziellen Einbußen wären zu groß gewesen.

Über arbeitende Mütter und ihre Situation am Arbeitsmarkt hab ich auch schon mal geschrieben. Schau mal hier

Was hältst Du vom Elterngeld und vom Elterngeld plus? Was findest Du, dass sich ändern muss?

Elterngeld und Elternzeit sind an sich toll - aber es gibt ein paar Punkte, die finde ich persönlich unfair. Sie betreffen Arme und Reiche, Selbständige und Alleinverdiener - wie zufrieden bist Du mit dem Elterngeld?

5 Gedanken zu „Elternzeit und Elterngeld: Was sich ändern sollte“

  1. Luxusprobleme… Das komplette Elterngeldprogramm ist an eine wohlhabende Mittelschicht angepasst… Wer 3500 netto verdient und sich dann beschwert, dass er es nicht auf die Kette bekommt mit 1800 Euro eine gewisse Zeit 6-12 Monate zu überbrücken, der lebt an der Realität vieler vieler Menschen vorbei. Genau das Argument ’sind nicht alle Eltern gleich‘ spricht doch dafür den Satz auf sagen wir 1400 Euro fix festzulegen. Das Konzept funktioniert nur für Menschen, die dem CDU, FDP maßgeschneiderten weg folgen… Ausbildung oder Studium dann ein paar Jahre arbeiten und Heirat und mit Anfang Mitte dreißig erstes Kind. Berufseinsteiger, Studenten, Pflegeberufe und unverheiratete haben Pech gehabt. Beispiel: Unverheiratet. Sie gerade fertig mit dem Studium, er Berufseinstieg. 6 Monate gearbeitet dann Kind. Heißt: nur die Hälfte von Netto 2200 monatlich als Bemessung. Vor Geburt hätte sie ALG 2 Anspruch. Nach der Geburt Pustekuchen: Bedarfsgemeinschaft. Aber da unverheiratet: Familienversicherung nicht erlaubt und sie muss sich eigenständig versichern. 300 Elterngeld – 200 krankenversicherung defakto bleiben 100 Euro übrig. Soviel zu unfair. Bin gerne bereit auch persönlich darüber zu diskutieren.

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    • Ich versteh Dich. Das Ding ist nur: Das Elterngeld sollte keine Bezahlung für die Kinderbetreuungsleistung sein. Das fände ich ein falsches Signal. Wenn jemand nicht arbeitet. Aus welchen Gründen auch immer, darf ihm Kinder zu bekommen nicht das Erwerbseinkommen ersetzen. 1400 Euro fest fände ich daher sehr zu viel. Das Elterngeld soll dafür sorgen, dass der Unterschied im Einkommen von vor und nach der Geburt nicht zu groß ist. Deshalb finde ich es gut und wichtig, das Elterngeld an das Einkommen anzupassen. Dein Beispiel klingt unfair. Warum bekäme sie ohne Baby ALG II. Die beiden wären doch ohne Baby auch eine Bedarfsgemeinschaft…..

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  2. Hi, dein Artikel ist super! Ich befinde mich als Frau unter dem Punkt Nr. 6 und muss sagen, dass ich auf Grund der Deckelung die Babyplanung ständig nach hinten schiebe, denn durch den Wegfall von über 50% meines Gehaltes können wir es uns nicht leisten.
    Auch wenn ich Karriere gemacht habe, wünsche ich mir ein Jahr mit meinem Kind zu hause. Es ist aber finanziell wirklich nicht möglich, außer man legt Geld zur Seite und lebt davon…

    Unfair ist schon mild gesagt!

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  3. Hallo.ich bin Zwillingsmama und bekomme 1x volles Elterngeld plus für Kind 1 und für Kind 2 NUR 300EUR.
    Es geht bis jetzt recht gut,aber im Juni2017 sind die 2 geboren und bis Feb.2019 bekomme ich nur Elterngeld bezahlt.das ist viel zu kurz in meinen Augen.sie sollten das zeitlich länger Regeln.ich kann auch nicht wieder zum Arbeiten geh’n weil 2 Grippe-plätze sind zu teuer.da lohnt sich das verdienen nicht

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