„Dass man mich morgens anlächelt“ – Evana erzählt, was sie an Deutschland liebt

Vielleicht hast Du auch schon an anderer Stelle hier bei Kinderleute von Frauen gelesen, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Auch heute stelle ich Dir eine von ihnen vor. Evana ist 28 Jahre alt. Das Gespräch mit ihr hat mich berührt – obwohl ich nicht gleich wusste weshalb. Eigentlich war es ein ganz normales Gespräch unter Müttern. Aber ein paar Dinge habe ich erfahren, die ich Dir gerne weitergeben will. Weil ich es wichtig finde zu erkennen und zu entdecken, wie andere uns sehen und weil ich damit helfen will, Verständnis füreinander zu fördern. Einander zu verstehen und zuzuhören, das ist das, was wir für Frieden in diesem Land tun können. Ich will absichtlich an dieser Stelle nicht über Familiennachzug reden. Ich will absichtlich nicht über Rückführungsquoten schreiben und nicht über Einreiseverbote. An dieser Stelle soll es nur um die Menschen gehen – um die Frauen – um die Mütter.

Das Treffen mit Evana

Asylbewerberin aus dem Irak - Erfahrungen und das deutsche Lächeln  Als ich ins Kindercafe bei uns im Ort komme, wo ich mit Evana und einer gemeinsamen Freundin verabredet bin, fällt sie mir gar nicht gleich auf. Evana fällt nicht auf. Sie kommt mir vor wie eine von uns. Das ist Absicht. Sie will gerne eine von uns sein. Sie will sich nicht abgrenzen. Ich merke wie sie mit ihrer kleinen Tochter deutsch spricht – wenn auch sehr gebrochen. Auf arabisch täte sie sich sicher leichter. Ein Kopftuch braucht Evana nicht. Das erklärt sie mir später, als wir gemeinsam am Tisch sitzen. „Ich trage den Islam in meinem Herzen. Ich muss ihn nicht nach außen tragen,“ erzählt sie. Dass sie ihre langen Haare offen trägt, ist für sie ein deutliches Zeichen dafür, dass sie zu uns gehören will. Sie liebe Deutschland, erzählt sie. Ja, das sagen viele. Aber ich glaube Evana meint es ernst……

Es sind die Menschen

Es sind die Menschen, die Evana hier besonders schätzt. „Jeder hier begegnet mir positiv. Alle grüßen sich. Hier ist alles so viel herzlicher als dort, wo wir herkommen“. Wenn Evana davon erzählt, wie sie mit ihren Töchtern in den Kindergarten geht oder zum Einkaufen, wie sich Menschen jederzeit bereiterklärt haben zu helfen, wie sie ihre Klamotten mit ihr und ihrer Familie geteilt und sie eingeladen haben, dann wird die Begeisterung für unsere Gesellschaft spürbar.

Asylbewerberin aus dem Irak - Erfahrungen und das deutsche Lächeln

Wir Deutschen halten uns ja oft für viel weniger gastfreundlich als die Menschen südlicherer Länder. Evana teilt diese Einschätzung nicht. „Wer hier freundlich ist, der meint das aus ganzem Herzen. Die Leute sind ehrlich. Im Irak haben die Menschen viele Gesichter.“ Das ist eine der Dinge, die sie überhaupt nicht vermisst. Die Mentalität in ihrer Heimat ist eine andere als bei uns. Evana ist unsere näher. Dass niemand bestochen werden muss, dass an Behörden zum Wohle der Menschen gearbeitet wird – das alles schätzt sie sehr hoch. Nur die Türken mag sie nicht besonders. Iraker mögen keine Türken, sagt sie.

So gut es geht möchte Evana hier ankommen und mit ihrer Familie eine neue Heimat finden. Was sie dafür gibt? Sie passt sich an. Äußerlich, aber auch in ihren Einstellungen. Zum Beispiel was die Erziehung der Mädchen angeht.

Erziehung im Irak und in Deutschland

Evana selbst ist mit vielen Geschwistern aufgewachsen. Als neuntes Kind ihrer Eltern ist sie eben so mitgelaufen. Aber auch ihre Geschwister kennen es so: Die Kinder werden morgens aus dem Haus geschickt und kommen abends wieder. Mädchen und Frauen bedienen die Männer. In die Schule ist Evana gegangen. Aber eine richtige Förderung? Eltern, die mit ihren Kindern spielen? All das kennt sie aus ihrer Kindheit nicht. Sie selbst will es anders machen. Evana versucht ihren Töchtern möglichst viel mitzugeben. Mit ihnen zu spielen. Den Fernseher nicht dauernd angeschaltet zu lassen. Nur ab und an sehen sie den Kinderkanal und lernen so etwas besser deutsch. Evanas Mann soll sich mit den Töchtern beschäftigen. Darauf besteht Evana. Für die Familie ist all das neu und sehr anstrengend. Auch die veränderten Rollenbilder sind nicht einfach.

Ehe im Irak und in Deutschland

Asylbewerberin aus dem Irak - Erfahrungen und das deutsche LächelnAls Evana und ihr Mann noch Kinder waren, sind sie einander versprochen worden. Die Ehe war arrangiert. Evana erzählt sie hätten die Verlobung natürlich auflösen können. Ob das wirklich gegangen wäre und mit welchen Kosequenzen? Wir wissen es nicht. Als beide noch im Irak geheiratet haben und Evana ihr erstes Kind bekam, da dachte sie noch, dass alles für immer so bleiben würde. Dass sie Kinder bekommen und ihr Mann als eine Art Hilfslehrer arbeiten würde. Aber so kam es nicht. Es kam der IS und es kam die Flucht. Und mit dem Ankommen in Deutschland auch eine Weiterentwicklung der Beziehung.

Evana erzählt davon, wie sie selbstbewusster wird. Sie wird durch ihr Umfeld darin bestärkt, dass ihr Mann nicht bedient werden muss, dass er mit anpacken kann. Und sie erzählt davon, dass sie nicht mehr so viele Kinder wie möglich bekommen möchte. Sondern dass sie in erster Linie will, dass es ihre Kinder und ihre Familie gut haben, dass sie lernen und sich integrieren. Was für mich und uns normal erscheint, ist für Evana eine wunderbare Erkenntnis.

Evanas Mann hat eine Arbeit gefunden und vielleicht – vielleicht kann die Familie auch bleiben. Doch auch wenn nicht: Evana hat sich verändert. Auch wenn sie zurück muss. Die Zeit wird sich nicht zurückdrehen.

4 Gedanken zu „„Dass man mich morgens anlächelt“ – Evana erzählt, was sie an Deutschland liebt“

  1. Guten Morgen,

    dein Beitrag hat mich berührt, ich sitze hier mit Gänsehaut. Ich finde es wirklich toll, dass du hinter die Menschen blickst und die Geschichte von Evana ist traurig, aber schön zugleich. Es ist toll, dass sie so selbstbewusst ist und sich hier wohl fühlt und vor allem das schätzt, was unser Land ausmacht, nämlich die Sicherheit, Stabilität und natürlich auch Freundlichkeit. Es ist ihr zu wünschen, dass sie hier bleiben darf.

    Liebe Grüße Christine

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