Kinder unterschiedlich lieben

Ich habe meinen Eltern lange vorgeworfen, dass sie mich und meine Schwester unterschiedlich lieben – und auch schon immer unterschiedlich geliebt haben. Mein Papa hat immer gesagt, meine Schwester sei so weich gewesen, wenn sie sich an ihn gekuschelt hat; ich dagegen hätte mich kalt und knochig angefühlt. Er hatte mich genauso gerne bei sich wie meine Schwester, aber irgendwie war es mit ihr eben einfach bequemer. Nicht, dass meine Eltern mich weniger geliebt hätten. Das glaube ich nicht. Es war gleich stark, nur eben auf unterschiedliche Weise. Lange habe ich das nicht verstanden. Heute schon. Denn lustigerweise ist es mit meinen Kindern in dieser Hinsicht das Gleiche: Sie sind beide völlig unterschiedlich und ich liebe sie auf unterschiedliche Arten. Wenn auch genau gleich stark. Ob es ihnen nicht unangenehm sein wird, diesen Text irgendwann zu lesen? Ich hoffe ganz im Gegenteil – ich hoffe sie werden es durch diesen Text verstehen.

Was ich an meiner Tochter liebe:

Meine Tochter ist so selbständig. Ich liebe es, wie wir uns gemeinsam Geschichten ausdenken und auch wie reflektiert sie ist. Ich bewundere ihren Ehrgeiz und ich liebe es, wie sie sich selbst genug ist. Sie braucht keine Bewunderung, kein Lob. Sie weiß was sie will und ich liebe ihren Dickschädel. Ich fühl mich mit ihr verbunden, weil wir uns so ähnlich sind.

Was ich an meinem Sohn liebe:

Mein Sohn macht es einem so unfassbar leicht ihn zu lieben. Er ist verschmust, kuschelt gerne und wie er eine kleine Schnute zieht und „bitte – noch einmal“ sagt. Da kann man ihm nichts mehr abschlagen. Er ist einfach niedlich. Wenn er lacht, dann geht einem das Herz auf.

Ich liebe meine Kinder aus tausend Millionen Gründen. Aber die beschriebenen Merkmale sind es, die die beiden unterscheiden.

Große Schwester sein ist manchmal hart

Kinder unterschiedlich lieben HerzFür meine große Tochter ist es manchmal nicht so leicht. Denn die Art ihres Bruders sorgt dafür, dass Menschen sofort auf ihn anspringen. Natürlich spiele ich gerne und viel mit ihm. Er verlangt das ja auch. Sie dagegen begrüßt mich schon morgens mit: „ich will gerne meine Ruhe haben“. Und dann beklagt sie sich, wenn ihr Bruder mit mir Spaß hat. Sie fühlt sich oft ausgeschlossen und dann macht sie ihn nach, weil sie auch gerne diese positiven Erlebnisse mit mir teilen will. Und dann wird sie wütend. So unfassbar wütend, dass es mir wirklich schwer fällt freundlich zu bleiben und zugewandt. Und wenn ich sie tatsächlich anblaffe, dann hat sie ihre Bestätigung: „Du hast mich ja gar nicht so sehr lieb wie den Till – ich hab´s immer gewusst!“ Das tut mir weh, wenn sie das sagt. Denn natürlich hab ich sie genauso sehr lieb wie ihren Bruder. Sogar noch länger. Ich hab sie schon viel länger lieb, weil sie ja auch älter ist…

„Bitte, danke – schön, dass Du da bist“

Mein Sohn ist so höflich und freundlich – ohne dass wir es ihm eingetrichtert hätten. Er ist es von sich heraus. Meine Tochter dagegen sieht keinen Sinn in höflichen Floskeln. Sie ist einfach anders. Anders wunderbar. Sie ist neugierig und begeisterungsfähig. Aber sie erfreut sich weniger als ihr Bruder an den kleinen Dingen. Sie ist reflektierter und fühlt sich schnell zurück gesetzt.

Du bist gut, so wie Du bist!

Jeden Tag sag ich es ihr: „Du bist gut, so wie Du bist. Genau so liebe ich Dich.“ Wir spielen miteinander, wir erzählen uns Geschichten und wir streiten. Und dann sehe ich wieder, wie sie am Rand steht und neidisch auf mich und ihren Bruder schaut, wenn wir auf andere Weise spielen, als es ihre Art ist. Und ich merke: Es ist genau wie bei mir und meiner Schwester damals. Der Kleine ist so unbeschwert, es fällt ihm leicht, Menschen für sich zu begeistern. Nicht nur mich – alle reagieren positiv auf ihn. Ihr fällt das schwer. Sie ist so verkopft. Und etwas neidisch auf ihn und auf seine Art.

Ja, groß werden ist hart

Und zum Groß werden gehört dazu, dass man lernt sich selbst innerhalb der Familie und der Gesellschaft einzuordnen – sich einzuschätzen. Das kann hart sein. Die Erkenntnis dessen wie man selbst ist.

Das habe ich erst durch meine Kinder gelernt:

Dass Erziehung Grenzen hat. Dass Kinder und Menschen zu einem großen Teil so sind, wie sie eben sind. Und dass es wichtig ist, diese Besonderheit so anzunehmen und als etwas Positives zu sehen. Wir sollten viel weniger versuchen unsere Kinder in Formen zu pressen, sondern annehmen und sie bestätigen. Wir Erwachsene sind ja auch unterschiedlich.

Sind Deine Kinder auch so verschieden?

3 Gedanken zu „Kinder unterschiedlich lieben“

  1. Danke für diesen wundervollen Text! Ich finde mich darin wieder. Meine vier sind auch komplett unterschiedlich und ich finde es unheimlich schade, wenn von außen versucht wird, das eine Kind ruhig zu stellen, während man sich beim anderen beschwert, warum es immer leise ist.

    Diese Facetten machen uns doch gerade aus.

    Liebe Grüße

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