Mehr Mut für Eltern: Warum wir sind, wie wir sind

Schon Sokrates hat vor über 2400 Jahren die Jugend kritisiert. Junge Menschen seien faul und unhöflich, schreibt er sinngemäß. Heute würde Sokrates vielleicht über andere gesellschaftliche Gruppen schimpfen: Die Eltern. Das ist eh grad im Trend. Die Eltern sind nämlich scheinbar Schuld daran, dass die Jugend so verdorben ist….

Als Eltern kannst Du es ja nur falsch machen

Karrieregeil oder Gluckenmutter – egozentrisch oder aufopfernd – zu hart oder zu weich. Richtig machen können wir es eigentlich nie. Dauernd wissen alle, was wir falsch machen in der Erziehung. Lehrer, Erzieher und Passanten erklären uns ausführlich wo unsere Fehler liegen – online und offline. Zu viel in der Kita oder zu wenig, zu streng oder zu lax. Alles müssen sich Eltern anhören.

Was Eltern tatsächlich falsch machen

In den Augen von Passanten müssen Eltern etwas falsch gemacht haben, wenn ihre Kinder schreien, Wutanfälle haben oder auf andere Weise auffallen oder nicht gehorchen. Wir als Eltern sind auf dem Präsentierteller. Alle Augen schauen auf uns und darauf wie wir reagieren. Warum uns das juckt?

Weil wir alles dafür tun, dass unsere Kinder glücklich sind. Wir legen unsere Karriere auf Eis, wir wälzen Bücher und setzen alles daran, die Bedürfnisse unserer Kinder zu befriedigen. Und deshalb fällt es uns unfassbar schwer zu akzeptieren, dass unsere Kinder trotz unserer unmenschlichen Anstrengungen eben nicht immer glücklich und ausgeglichen sind.

Und dann werden wir unsicher. Wir suchen den Fehler bei uns.

Es ist genau wie damals als wir im Büro eine Präsentation hatten, in die wir viel Mühe gesteckt haben. Und dann streikt die Technik. Soviel Mühe und so eine schlechte Außenwirkung. Und an diesem Punkt fängt es auch an, dass uns die Blicke der Passanten oder die doofen Kommentare jucken. Wären wir doch nur ein bisschen selbstsicherer und würden wir uns weniger über die Kinder definieren, dann würden wir einen Weg finden souverän zu reagieren… Doch das ist etwas, das jeder von uns nur bei sich selbst lösen kann.

Dass ein Kind mal wütend ist oder laut oder unhöflich ist doch völlig normal

Kinder werden nicht geboren und benehmen sich so wie wir sie uns vorstellen. Die Welt würde sich nicht weiterentwickeln, wenn es nicht in unseren Genen läge unsere eigene Identität zu bilden und uns auszuprobieren. Selbst wenn es eine Möglichkeit gäbe, die perfekte Mutter und der perfekte Vater zu sein: Unsere Kinder würden sich dennoch „daneben benehmen“. Weil das zum Groß-werden eben dazu gehört. Es ist eben nicht (nur) die „Schuld“ der Eltern, wie sich ein Kind entwickelt. Kinder sind wie sie sind. Wir können sie mit unserer Erziehung etwas lenken und sie bei der Selbstfindung unterstützen. Aber wir können doch nicht ihre Persönlichkeit verändern…. zumindest nicht zum Guten.

Diese Erkenntnis nimmt uns – finde ich – unfassbar viel Druck

Wir als Eltern können versuchen unseren Kindern die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen. Eine dieser Voraussetzungen ist das Vertrauen, dass sich aus ihnen sicherlich wunderbare Persönlichkeiten entwickeln. Wir können ihnen unsere Werte vermitteln. Wir können sie begleiten. Aber unsere Kinder sind eigene Menschen mit eigenen Rechten auf alle ihre Empfindungen. Auch auf das unglücklich sein, auch das gehört zum Leben. Was am Ende aus unseren Kindern wird, liegt nicht in unserer Hand.

 

„Da muss man doch was tun“

Ein häufig gehörter Kommentar. Aber das sei Passanten gesagt: Auch wenn wir unseren Kindern heute nicht mehr den Hintern versohlen. Wir tun sehr wohl etwas: Wir begleiten. Erziehung heute ist ruhiger. Im Idealfall zumindest. Vielleicht ist es Generationen vor uns schneller gelungen ihre Kinder ruhig zu stellen. Erziehung heute ist eben sanfter und bedürfnisorientierter. Das heißt nicht, dass Eltern nicht streng sein können. Jeder muss für sich den richtigen Weg und das richtige Maß finden. Das ist schwer genug. Dann auch noch auf die Außenwirkung zu achten, ist viel zu anstrengend.

Sich mit Kindern in der Öffentlichkeit zu bewegen ist für viele Eltern ein Spießrutenlauf. Dabei vergessen Außenstehende eines: Was wir in der Öffentlichkeit an Erziehung oder Nicht-Erziehung sehen ist nur ein winziger Ausschnitt. Das Meiste passiert hinter verschlossenen Türen. Wir sollten nicht nach Äußerlichkeiten urteilen. Nein. Wir sollten überhaupt nicht urteilen. Solange ein Kind nicht geschlagen oder unterdrückt wird, finde ich, dass die Eltern schon wissen werden, was für ihr Kind gut ist. Urteilen ist nicht nötig.

Dennoch: Einmischen erwünscht:

Es braucht ein ganzes Dorf um Kinder zu erziehen, heißt es so schön. Aber wenn es darum geht Schwierigkeiten zu lösen, dann stehen Eltern plötzlich am Pranger und alleine da, statt dass sich Passanten da mal sinnvoll einmischen. Nicht stänkern, sondern helfen!

Neulich: Es war kurz vor Ladenschluss und der Kühlschrank leer – wir mussten also nochmal los zum Einkaufen. Die Kinder waren aufgedreht und die Stimmung daher schon nicht besonders ideal. Trotz großer Bemühungen meinerseits sind mir die beiden entwischt und plötzlich hat es ihnen Spaß gemacht Fangen zu spielen. Um das Regal mit Glasflaschen herum. Ich war aus verschiedenen Gründen nicht schnell genug. Als ich dazukam habe ich gesehen, wie die Mitarbeiterin gerade mit den Kindern am Boden kniete und sie darüber philosophierten wo man rennen kann und wo nicht. Sie hatte sich eingemischt. Zum Glück! Denn alle Eltern wissen: Manchmal kann man sich selbst den Mund fusselig reden, manchmal hören die Kinder einfach nicht.

Eine fremde Person kann die Situation manchmal befrieden. Mithelfen statt Lästern. Das find ich gut!

Und unser Umfeld?

Das könnte uns bestärken. Wie die alte Dame neulich, die mir während einem kindlichen Wutanfall die Hand auf die Schulter legte und sagte: „Sie machen das toll. Ihr Kind hat Glück mit einer geduldigen Mama“ Denn ja: Auch diese Menschen gibt es. Und die übersehen wir leicht.

Eltern sind keine Einzelkämpfer, sondern wir alle als Gesellschaft sollten als Team spielen. Um unseren Kindern ein Vorbild zu sein

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