Kunst im Kindergarten – wie es angeleitet Sinn macht

Echte Kreativität. Was ist das eigentlich? Heißt das, dass man Kinder einfach machen lässt? Sollte man dem Kind Formen vorgeben, die es dann ausmalt? Beim Basteln Hilfestellung geben, so dass die Form dann wirklich hübsch und der Schnitt gerade wird? Oder sollte man gar nicht eingreifen? Das Kind basteln und experimentieren lassen, wie es mag?

Susanne Noë, die in der Kindertagesstätte Arche Noah in Kasendorf arbeitet und die Kunst nicht nur liebt, sondern richtiggehend lebt, hat einen besonderen Ansatz. Und den will ich Dir heute gerne vorstellen. Weil ich ihn wirklich spannend finde und weil mir ausgeschnittene Figuren, die bei jedem Kind gleich aussehen ein Graus sind.

Im Atelier im Kindergarten gehen die Kinder ein und aus wie sie wollen, sie fragen nach Materialien und sagen was sie brauchen. (Das ist Teil des offenen Konzeptes in der Einrichtung). Alles was sie haben sollten ist eine Idee – und den Willen es umzusetzen. Susanne Noë bietet den Kindern dafür verschiedenste Materialien: Stifte, Farben, Pinsel, Perlen, Holz – und sogar eine Druckwerkstatt, in der die Kinder ihre eigenen Bücher drucken können. Fast immer sind die Kinder frei in ihrer Arbeit und in ihren Gedanken und ihrer Fantasie. Doch nur frei und ohne Input – das ist Susanne Noë auch wieder zu wenig. Mit Kindern ab vier Jahren macht sie regelmäßig eine Art Kunstunterricht zum Anfassen. Und das geht so:

Kunst mit Kindern : Paul Klee im Kindergarten entdecken

Als der „Unterricht“ losgeht, sitzen die Kinder auf kleinen Stühlen im Kreis, in der Mitte liegen Bildbände, die die Kinder vorher und nachher durchblättern können. Susanne Noë erzählt von einem Mann namens Paul. In seiner Familie wurde immer viel gelacht – und auch gemeinsam musiziert. Paul liebte das Geige spielen. Und noch lieber zeichnete er. Er hatte viele Freunde in der Schule und alle waren begeistert davon, wie gut er malen konnte. Er liebte es sogar so sehr, dass er seinen Stiften Namen gab, so wie seine Freunde auch Namen hatten: Er nannte sie Lupus Füntzhart zum Beispiel, Nero, Judas, Rigoletto und Robert der Teufel.

Paul hieß mit Nachnamen Klee – so wie der Klee der auf der Wiese steht und seine Bilder hängen heute in Galerien auf der ganzen Welt. Und so geht die Geschichte noch ein bisschen weiter. Über Paul Klee, der sehr still und gerne allein war. Und über seine Katze Bimbo, für die er sogar eine eigene Katzensprache erfand, in der sich die beiden unterhielten. Das muss lustig geklungen haben. Dass sich Paul ganz oft verliebte, bis er schließlich seine Frau Lily kennenlernte. Und dass er die Farben Afrikas liebte. Und dann überlegen die Kinder gemeinsam, wie die Farben Afrikas aussehen könnten, wo so viel die Sonne scheint und es keinen Schnee gibt und wie sie sich unterscheiden von den Farben der Schweiz, der Heimat Paul Klees.

Selbst ausprobieren was die Kinder über Paul Klee gelernt haben

Auch als Erwachsener bin ich gebannt von den Erzählungen von Susanne Noë und auch die Kinder bleiben gefühlt ewig sitzen. Sie lauschen den Geschichten und überlegen und denken und staunen mit. Und dann probieren sie auch selbst aus. Geben ihren Stiften Namen und malen sie. Und sie versuchen mit beiden Händen zu zeichnen – einmal mit links und einmal mit rechts – Paul Klee hat das nämlich gekonnt. Und sie schauen sich große Werke Paul Klees an und empfinden seinen Stil nach.

Kunsttechniken entdecken

Die Kinder schauen sich das Bild „Der Goldfisch“ von Paul Klee an und dann empfinden sie es nach. Sie machen sich einen dunklen Hintergrund aus Kleister und Farbe. Mit Kämmen, Fingern, Stiften und was auch immer lassen sie die Fläche lebendig wirken. Später dann gestalten sie den Fisch. Sie lernen so unterschiedliche Techniken kennen und erfühlen und entdecken die Kunst. Sie dürfen die Fische so groß und klein und dick und dünn machen wie sie wollen – sie fahren keine Linien nach, sondern sie erschaffen ihren eigenen Ozean und ihre eigenen Fische.

Und dann werden noch Engelbilder gemalt. Mit Stahlfeder und Tusche, so wie es Paul Klee gemacht hat. Wann kommt ein Kind sonst schon mal dazu? Und auch da wird nicht einfach drauflosgekritzelt, sondern die Kinder nehmen sich das Bild Paul Klees zum Vorbild und denken sich nach diesem Beispiel selbst Engel aus. Und sie geben ihren Engeln Namen.

Künstler im Kindergarten

So erfahren die Kinder im Atelier von Susanne Noë im Kindergarten Arche Noah beides: sie können experimentieren und sie lernen, dass bei der eigenen kleinen Welt in der sie leben nicht Schluss ist. Sie erfahren, dass die Welt voller Kunst und Künstler ist und sie bekommen eine erste Idee davon, dass es noch viel mehr zu entdecken gibt als Stifte, Wasserfarben und Tonpapier. Das öffnet den Horizont und das kann nie schaden.

Wie wichtig ist Dir Kunst? Und findest Du es gut oder übertrieben, wie unser Kindergarten das macht?

Mehr über zauberhafte Geschichten, die die Fantasie anregen kannst Du hier nachlesen. Und wie Du ein Gefühlsmemory mit deinen Kindern basteln kannst, das findest Du hier.

4 Gedanken zu „Kunst im Kindergarten – wie es angeleitet Sinn macht“

  1. Ich bin Kunsttherapeutin und betreue regelmäßig freiberuflich kleine Malgruppen mit Kindern von 5 – 8 und von 9-12 Jahren.
    Der Künstler Paul Klee war kürzlich auch ein Thema. Das Vorgehen, wie „Kunst im Kindergarten“ Sinn macht, finde ich
    sehr schön beschrieben und ich werde mir daraus Anregungen mitnehmen.
    Liebe Grüße

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  2. In meiner Eigenschaft als Künstlerin und Kunstpädagogin hatte ich über mehrere Jahre die Verantwortung für ein offenes Atelier in einer Berliner Kita. Daraus ist ein Buch entstanden, das die eindrucksvollen Ergebnisse freier kindlicher Fantasie zeigt, ideenreich in Form und Farbe umgesetzt:
    Einblicke in die Magie der Kindermalerei
    132 Seiten, Novum 2022
    Es ist erstaunlich, wie Kinder malen, wenn man dafür einen geeigneten Raum schafft, sie machen lässt und wertschätzt. Mit lockeren Pinselstrichen und spontan gewählten, kräftigen Farbkombinationen, kreieren sie eine nahezu perfekte Bildkonstruktion. Wenn man sowohl Pädagogen als auch Kinder mit Räumen, Material, Zeit und Ermutigung ausstattet, entsteht Experimentierlust, Sinnlichkeit, Versunkenheit und hinreißende Malerei von großer Farbkraft, sei es auf Papier, Wänden oder gar Gesichtern.
    Mein größter Wunsch wäre, dass dieses Buch den angehenden Pädagogen und Pädagoginnen für die Praxis zur Verfügung steht, damit möglichst viele Nachahmer Kindern diese Art des freien Malens anbieten.

    Beste Grüße
    Catherine Désenfant

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  3. Wir stellen unseren Kindergartenkindern auch immer Mal wieder Künstler vor, Schauern mit ihnen verschiedene Bilder an. Derzeit malen wir das blaue Pferd, angelehnt an das Gemälde von Franz Marc

    Es beeindruckt mich schon sehr, wie sich Kinder dafür begeistern lassen.

    Lissy

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  4. Sehr interessante Seite…da ich mit Kindergartenkindern arbeite, suche ich immer nach Ideen, wie man den Kindern das Interesse für Kunst wecken kann.
    Vielen Dank.

    Herzliche Grüße,
    Anabela Silva Fernandes

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