Erziehung heißt gemeinsam leben, sonst nichts. So in der Art hat es mal Katja Saalfrank gesagt – damals als sie noch Supernanny war. Und der Gedanke gefiehl mir schon damals. Das ist vermutlich um die 15 Jahre her. Ich wusste schon bevor ich Kinder hatte, dass Vertrauen für mich das wichtigste ist. Sie kontrollieren: Das wollte ich niemals. Und jetzt? Ich versuche die Kinder ernst zu nehmen, sie zu stärken und sie so weit es geht selbst bestimmen zu lassen. Eigentlich. Denn natürlich kontrollieren wir unsere Kinder ab und an. Ein ewiger Seiltanz zwischen Vertrauen und Kontrolle
Selbstwirksamkeit – warum Kinder selbst bestimmen lassen
Ein bisschen Kontrolle ist bei kleinen Kindern ganz selbstverständlich. Auch wenn wir unsere Kinder grundsätzlich zu Selbständigkeit animieren: Hat das Kind eine neue Unterhose an? Hat es Zähne geputzt? Solche Sachen fragen wir selbstverständlich nach. Wenn ich nach dem Klogang kein Händewaschgeräusch höre, dann hake ich genauer nach und wenn ich angeschwindelt werde, dann schau ich vielleicht mal drüber weg, aber weiß trotzdem Bescheid und kann meinen Standpukt später nochmal klar machen. Das ist Kontrolle im Kleinen. Kinder schwindeln eben mal. Sie verheimlichen uns Dinge. Das ist gar nicht böse. Das ist normal. Muss man eben mal ausprobieren. Wenn sie klein sind, sind sie nicht besonders gut darin ihre Geheimnisse zu verstecken. Da zeigt sich schnell, ob sie wirklich Zähne geputzt haben. Das ändert sich später. Die Kinder werden schnell besser darin Dinge vor uns zu verbergen und auch zu lügen. Wenn wir dann weiterhin etwas Kontrolle ausüben wollen, dann müssten wir eigentlich richtig graben. Und da fängt es an heikel zu werden.
Zwischen Kontrolle und Vertrauen am Beginn der Pubertät
Als wir Kinder waren, gab es vielleicht ein Tagebuch oder kleine Briefchen, in denen wir unseren Freundinnen unsere Geheimnisse anvertraut haben. Ansonsten gab es nicht viel was unsere Eltern kontrollieren hätten können. Wir waren draußen unterwegs und da gibt es jede Menge Potential für Unfug und es gibt auch jede Menge Gefahren. Die hat keiner kontrolliert. Hätten sie vielleicht, wenn es möglich gewesen wäre. Heute sind diese Gefahren völlig anders gelagert. Dank Handy lassen sich die Kinder unterwegs tracken und überhaupt sind sie meistens länger in der Betreuung und weniger unbeaufsichtigt, als wir damals. Stattdessen bewegen sie sich in der Onlinewelt. Und die können wir kontrollieren. Zumindest in weiten Teilen. Und was dazu kommt: Die Gefahren, die Online lauern sind für Kinder (und oft auch für uns selbst) viel schlechter abzuschätzen, als die Gefahren beim Spielen am Waldrand.
Aber: Auch Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre
Das Recht auf Privatsphäre ist in der UN-Kinderschutzkonvention in Artikel 16 niedergeschrieben. Briefe, Tagebücher und andere Dinge, die die Kinder haben und von denen sie nicht wollen, dass wir sie sehen oder lesen, müssen wir respektieren. Nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus pädagogischer Sicht.
Für Kinder ist es wichtig auch mal unbeobachtet zu sein, Geheimnisse zu haben und die Welt zu entdecken ohne dass dauernd ein Erwachsener kommentiert. Doch gilt das auch für Smartphones? Sollen wir die Smartphones unserer Kinder kontrollieren? Die Privatsphäre hört nämlich da auf wo eine Gefahr droht. Wiegen die Gefahren im Internet schwerer als der Wunsch der Kinder auf Selbstbestimmung?
Ist es ok Smartphones zu kontrollieren?
In der virtuellen Welt ist das halt trotzdem ein bisschen anders als beim Stromern durch den Wald. Genauso wie unsere Eltern uns damals immer wieder eingeimpft haben mit wem wir reden, wohin wir gehen und wann wir wieder zu Hause sein müssen, müssen wir auch heute unsere Kinder ein Stück weit an die Hand nehmen. Uns damit beschäftigen, was dieses Roblox eigentlich ist, was sie da spielen, uns von ihren Lieblings-Youtubern vorschwärmen lassen und interessiert nachfragen, mit wem sie denn so chatten. Vor allem für soziale Medien gilt: Am besten nehmen wir die Kinder an die Hand und entdecken gemeinsam die Möglichkeiten, Chancen und Risiken.
Lies dazu gerne noch diesen Artikel: Mit Kindern gemeinsam soziale Netzwerke entdecken.
Doch wenn das geschafft ist, fühlen sich die Kinder sicher und ziehen alleine los. Ideal ist es, wenn es dann gar keiner Kontrolle bedarf, sondern die Kinder uns ganz von selbst einbeziehen und teilhaben lassen.
Doch was ist, wenn sie sich eben einfach nicht an die Hand nehmen lassen? Was, wenn sie nun mal meinen sie könnten Gefahren schon richtig einschätzen? Was, wenn sie es eben einfach nicht erzählen, wenn online irgendwas vorfällt von dem sie vielleicht gar nicht erkennen, dass es gefährlich sein könnte? Ist da doch ein bisschen Kontrolle ok? Ich finde: Ja, aber in ganz kleinen Dosen. Je mehr ein Kind beweist, dass es sich alleine zurechtfindet, je länger man das schon gemeinsam erkundet hat, desto mehr Freiräume kann es auch geben. Regelmäßig das Hand gemeinsam durchzuschauen, halte ich dennoch für wichtig. Früher oder später werden die Kinder jedoch auch am Handy Geheimnisse haben wollen. Und die müssen wir ihnen zugestehen. Es gilt also einen Seiltanz rund ums Vertrauen zu wagen. Und am Ende – wie so oft mit Kindern – nach dem Bauchgefühl zu entscheiden.