Helfen ist Liebe – Der feine Unterschied zwischen alleine machen dürfen und alleine machen müssen

Schuhe anziehen, Zähne putzen, essen: Kinder machen und dürfen und sollen heute schon früh Vieles selbst machen. Und das ist toll. Es macht stolz, wenn man etwas selbst schafft. Schon kleine Kinder können sich mit bestimmten Klamotten selbst anziehen: Schuhe mit Klettverschluss statt mit langen Bändern, Hosen mit Gummizug und so weiter. Kinder sollten ausprobieren dürfen und selber machen. Selbst essen, selbst schneiden, selbst waschen, selbst Zähne putzen. Auch wenn das länger dauert und es für uns Eltern oft komplizierter wird. Selber können macht stark. Aber nur weil man etwas selber kann und es meistens auch will, muss man es ja nicht IMMER wollen. Das beschäftigt mich in letzter Zeit sehr. Denn meine Kinder haben diese Phasen … oder Tage … oder Situation… immer wieder mal. Und ich seh solche Situationen auch bei anderen häufig. Sie weigern sich dann einfach Dinge selbst zu machen. Deshalb hab ich mich – wie immer wenn mir was auffällt – ein bisschen umgehört. Und ich lass Dich gerne an meinen Gedanken teilhaben.

Kinder streben nach Autonomie, nach Unabhängigkeit, nach Selber-Können. Und dann gibt es wieder die anderen Tage, die anderen Phasen, die anderen Situationen: Phasen und Momente, in denen die Kinder wieder ganz klein sein wollen. Kennst Du das?

Wenn Kinder keine Lust auf Selber machen haben

Meine Tochter mag es, wenn ich ihr abends den Schlafanzug anziehe. Natürlich kann sie es selbst. Aber sie mag es, wenn ich ihr dabei helfe. „Kannst Du das schneiden?“ fragt mein Sohn, wenn ihm die Fischstäbchen auf dem Teller zu groß erscheinen. Er könnte es selbst. Aber ist es nicht manchmal auch schön, wenn wir uns gegenseitig helfen? Ich finde es ehrlich gesagt schön. Es zeigt: Wir sind füreinander da.

Auf der anderen Seite ist es natürlich auch wichtig, dass die Kinder Selbständigkeit erlernen. Ihnen alles abzunehmen, wäre der absolut falsche Weg. Kinder sollten früh lernen sich selbst das Brot zu schmieren, sich anzuziehen, die Schuhe zu binden und so weiter. Das stärkt das Selbstbewusstsein, trainiert die Frustrationstoleranz und fördert viele kleine motorische Fähigkeiten. Dieser Artikel soll kein Plädoyer dafür sein, den Kindern alle Arbeit abzunehmen, damit es schneller geht und sie von uns abhängig bleiben. Überhaupt nicht.

Vorbild sein: So lernen Kinder zu helfen

Sind Erwachsene nicht manchmal komisch und auch irgendwie inkonsequent? Wir wollen, dass die Kinder uns im Alltag helfen: Beim Tisch decken, beim Aufräumen, beim Wäsche falten oder bei was auch immer. Und wenn sie wollen, dass wir ihnen helfen, dann sagen wir: „Das kannst Du sehr wohl alleine!“ Komisch eigentlich. Natürlich können sich die Kinder alleine die Schuhe anziehen, aber Mama kann auch alleine den Tisch decken. Will sie aber nicht. Wir sind ein Team in alle Richtungen. Wir helfen einander, wenn wir einander um etwas bitten. Kinder können das freiwillig aber doch eigentlich nur lernen, wenn sie es bei uns auch sehen, oder?

Damit Kinder lernen mitzuhelfen, müssen wir Vorbild sein.

Wir sind ein Team: Kindern helfen

Das beste Getränk meiner Kindheit war das, das mir meine Mama abends ans Bett gebracht hat, wenn ich sie darum gebeten habe. Natürlich hätte ich ins Bad gehen können und vom Wasserhahn trinken – das wäre schneller gegangen. Oder ich hätte in die Küche gehen können und mir selbst etwas machen. Aber nein: Ich wollte ganz oft, dass meine Mama nochmal kommt, extra für mich nach unten geht, etwas zu trinken einschenkt und bei mir bleibt bis ich getrunken habe. Dieses umsorgt werden – das fand ich toll und das macht mir heute noch ein wohliges Gefühl, wenn ich daran zurückdenke. Ich weiß gar nicht, ob meine Mutter vielleicht davon genervt war oder ob sie sich überhaupt noch daran erinnert. Aber für mich ist Trinken ans Bett gebracht bekommen eines der vordringlichen Gefühls-Erinnerungen an meine Kindheit.

Helfen nach einem Streit

Das haben wir sicher alle schon mal erlebt: Irgendwie war die Stimmung schlecht, die Kinder haben sich nicht schnell genug fertig gemacht, unter der Tür ist noch was runtergefallen oder es gab einen anderen Grund dafür, dass irgendwie Hektik ausbricht. Und dann, wenn es gerade so überhaupt nicht passt, setzt sich das Kind auf den Boden und bockt und will nichts mehr selbst machen, sondern macht auf Baby und verlangt unsere Hilfe.
Nach einem Streit wollen Kinder oft besonders viel Hilfe. Nicht weil sie plötzlich verlernt haben, sich die Schuhe selbst anzuziehen, sondern ich bin überzeugt sie wollen sich rückversichern: Meine Mama ist für mich da, wenn ich sie brauche. Wir sind ein Team. Das gilt nicht nur nach einem Streit, sondern auch ganz allgemein.

Jeden Wunsch erfüllen? Nein!

Bedürfnisorientiert erziehen – je länger ich mit meinen Kindern zusammenleben darf und je länger ich mich damit beschäftige – umso mehr wird das für mich zur Selbstverständlichkeit. Nein, ich springe nicht jedesmal auf, wenn mein Kind etwas von mir verlangt. Absolut nicht. Ich verhätschel sie auch nicht – wie es so oft vermutet wird. Ich fördere ihre Eigenständigkeit wo ich nur kann. Aber ich versuche auch hinter die Fassade zu blicken: Warum möchte mein Kind gerade meine Hilfe? Was braucht es wirklich? Und dann versuche ich zu helfen und ein Vorbild zu sein. Am besten ohne Augenrollen und ohne Kommentar. Sondern einfach und selbstverständlich. Oft gelingt es. Aber nicht immer.

Kinder im Alltag unterstützen, wenn sie danach fragen

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