Übertritt: Welche Schule soll es sein?

Der Übertritt von der Grundschule in die weiterführende Schule ist für Viele die erste Entscheidung für einen späteren Beruf. Natürlich ist das Schulsystem durchlässig. Ich kenne Beispiele von Menschen, die sich von der Hauptschule (heute heißt das Mittelschule) bis zum Diplom an einer Uni gekämpft haben. Und auch umgekehrt: Menschen, die erst am Gymnasium waren und später nach der neunten Klasse abgegangen sind und im Handwerk glücklich wurden sind mir bekannt. Alles ist auch später immer noch möglich. Aber man muss es Kindern ja nicht schwerer machen als es ist.

Grundsätzlich mal: Wer entscheidet eigentlich in welche Schule ein Kind geht: Kind oder Eltern? Ich finde, die Schulform entscheiden besser die Eltern – natürlich mit Rücksicht auf die Meinung des Kindes und auf die Empfehlung der Lehrkräfte. Welche Schule es dann konkret wird, sollte eher das Kind entscheiden. Denn die Kinder sind es, die dort täglich hingehen müssen. Nur in einem guten Lernklima können Kinder ihr Potential richtig entfalten.

Unten auf dieser Seite findest Du eine Checkliste und allerlei Hinweise zur Entscheidungsfindung welche Schule konkret die richtige ist. Und jetzt kommt erstmal Nadine zu Wort. Nadine hat eine Tochter, die bald auf die weiterführende Schule wechselt – Realschule oder Gymnasium. Für Kinderleute hat sie ihre Erfahrungen aufgeschrieben:

Übertritt auf eine weiterführende Schule – Erfahrungsbericht

Während in anderen Familien die Frühlingssonne genossen wird, sitzen wir auf minder bequemen Stühlen in Turnhallen und starren gebannt auf eine Leinwand.
Kein Wunder, denn es  steht der Übertritt an!
Jenes  nicht einschätzbare Monster, das angeblich die Schullaufbahn, den beruflichen Werdegang und das Leben meines Kindes bestimmen wird.
So ganz nebenbei steigt die Verwirrung, welche Schule nun die passende für Fräulein Tochter ist. Kann sie den Anforderungen gerecht werden? Mit Enttäuschungen umgehen? Ein eventuelles Scheitern verkraften? Ist das als überaus durchlässig angepriesene bayerische Bildungssystem besser von oben nach unten (sprich: Gymnasium testen und zur Not auf die Realschule wechseln) oder lieber umgekehrt  zu durchlaufen?
Klar, die Fakten zum Übertritt, benötigter Notendurchschnitt, Probeunterricht etc. sind bekannt. Aber darum geht es den meisten Eltern nicht. Informiert wurden und werden wir bestens. Es bleibt jedoch die Unsicherheit, welche Schule wirklich dauerhaft passt.

Um Licht ins Dunkel zu bringen, besuchen wir die Informationsveranstaltungen der weiterführenden Schulen unserer Heimatstadt. Die Kleinstadt ist mit einer Realschule und zwei Gymnasien recht gut aufgestellt.

Zwei Gymnasien und eine Realschule stehen zur Auswahl


Den Anfang macht das musisch-naturwissenschaftlich orientierte Gymnasium. An einem sonnigen Samstagmorgen betreten wir das altehrwürdige Gebäude und schlagen den Weg  zur Turnhalle ein. Im Grunde bin ich auf Terra Incognita unterwegs und nicht ganz unvoreingenommen, da dieses Gymnasium zu Schulzeiten der Rivale meiner eigenen Lehranstalt war. Zum Glück begegnet mir eine Schulfreundin, die mittlerweile hier Chemie unterrichtet. Das führt mir nicht nur mein eigenes Alter (Kann das wirklich sein? Hab ich nicht erst vorgestern das Abi bestanden?) vor Augen, sondern bricht auch das Eis.
Der erste Eindruck ist gigantisch. Nach einer launigen Rede des sympathisch wirkenden Direktors spielt das Schulorchester die Melodie der Star Wars-Filme. Bäähm! Alle Zuhörer sind geplättet und warten gespannt, wie es weiter geht. Der gelungene Auftakt wird von einem Werbefilm der zugehörigen AG ergänzt. Anschließend brechen Kinder und Eltern getrennt voneinander zur jeweiligen Schulhausführung auf. Ich habe Glück und kann mich einer kleinen Gruppe um eine jung aussehende Lehrerin anschließen. Wir bekommen bei der Besichtigung viele Informationen, stellen Fragen und diskutieren. Leider konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Einiges schön geredet wird. Die Lehrerin rät, es „im Zweifelsfall einmal mit dem Gymnasium zu probieren“. Auf die Realschule könne man dann immer noch gehen. Nach 2 Stunden kommt die aufgekratzte Kinderschar zurück. Mein Abkömmling ist restlos begeistert. Ausschlaggebend dafür war der Pudding in der Cafeteria, die große Kletterwand und dass es der besten Freundin ebenfalls gefallen hat. Mutter und Tochter sind zwar von der Professionalität und den vielen Möglichkeiten hingerissen, in der Entscheidungsfindung jedoch keinen Schritt weiter.
Aus diesem Grund besuchen wir einige Tage später die zweite Station des Schulwerbemarathons. Die Latte liegt hoch. Das Gymnasium hat gut vorgelegt und meine Erwartungshaltung ist dementsprechend anspruchsvoll.

Besuch in der Realschule

Der Ablauf ähnelt dem der Vorwoche. Während die Kinder mit den Tutoren eine Schulhausralley veranstalten, werden wir Eltern in der Turnhalle von der Schulleiterin begrüßt und mit den Vorzügen der Schulart vertraut gemacht.

Es singt der Unterstufenchor und eine ehemalige Schülerin der Realschule, die jetzt Lehramt studiert, erzählt von Ihrem eigenen Werdegang. Sie dient als Beispiel für den erfolgreich beschrittenen Weg zum Abitur über Real- und Fachoberschule. Danach läuft der offenbar obligatorische Werbefilm. Dieser besticht durch die überaus sympathischen Moderatoren und einen hoffentlich realistischen Einblick in den Schulalltag.

Im Gegensatz zum ersten Gymnasium wirkt an der Realschule alles weniger professionell, weniger gepimpt, dafür aber sehr herzlich und authentisch. Was mir vom Vortrag besonders im Gedächtnis bleibt, ist die Betonung auf „die Schüler noch Kind sein lassen“. Dieser Satz fiel des Öfteren und wirft die Frage auf, ob das bei der Wahl eines Gymnasiums wohl nicht der Fall sein wird.

Sowohl bei mir, als auch meiner Tochter, bleibt diesmal die große Begeisterung aus. Zwar haben wir uns recht wohl gefühlt und das Schulkonzept auch als positiv wahrgenommen – mehr aber auch nicht.

Wir sind gespannt, wie in der darauffolgenden Woche die Präsentation des zweiten Gymnasiums ablaufen wird!

Gymnasium Nummer 2


Sieben Tage später machen wir uns bei abermals strahlendem Sonnenschein erneut auf den Weg. In der Aula des Gymnasiums mit wirtschaftswissenschaftlicher, sozialer und neusprachlicher Ausrichtung angekommen, fühle ich mich sofort wieder heimisch. Zugegeben: Ich kann jetzt nicht objektiv bleiben, denn an dieser Schule habe ich nicht nur neun schöne Jahre verbracht, sondern wurde gut beim Erwachsenwerden begleitet.
Auch diesmal nehmen wir in der Turnhalle Platz. Der ganz spezielle Geruch lässt Erinnerungen wach werden und tatsächlich steht die ehemals gefürchtete Sportlehrerin neben der Tür. Ich fühle mich wie in einer Zeitkapsel!
Der Vortrag der Direktorin ist angenehm kurz, ebenso wie der Werbeclip. Neben Chor und Orchester gefallen meiner Tochter und mir besonders die Vorführungen der Sport AGs. Das Highlight bildet eine Gruppe, die zum James-Bond-Intro einen Parcour bewältigt und dabei akrobatische Sprünge zeigt.

Anschließend dürfen alle die Schule erkunden. Fräulein Tochter ist ja schon schulralleyerfahren und düst mit den anderen Mädels davon. Ich spaziere währenddessen mit einer befreundeten Mutter durch die Stockwerke, sehe weitere bekannte Gesichter aus meinen eigenen Schultagen und bevor ich völlig in Erinnerungen versinke, landen wir beim Team der Nachmittagsbetreuung. Obwohl das Angebot der Ganztagsklasse für uns nicht im Fokus steht, unterhalten wir uns intensiv mit den anwesenden Erziehern. Die Räume sind überaus einladend, die  Menschen sympathisch und plötzlich wird die offene Ganztagsbetreuung doch zur Option. Wir informieren uns weiter und landen zur Stärkung in der Cafeteria. Zwei Stunden, einige Tassen Kaffee und ein gutes Gespräch später, treffen auch unsere Kinder ein, die derweil die Rätsel im Escape-Room erfolgreich gelöst, diverse Kreativ-Angebot wahrgenommen und offenbar alle Räume besichtigt haben.
Als ich in die leuchtenden Augen meiner Tochter blicke, vermute ich, dass auch sie sich hier dauerhaft wohlfühlen kann. Offensichtlich hat sie diesmal ganz eigeninitiativ mit Tutoren und auch Lehrern gesprochen und eigene Erkundigungen eingezogen. Ich bin ein kleines bisschen stolz und begreife, dass bald ein weiterer großer Schritt in Richtung Selbständigkeit gegangen wird und ich guten Gewissens los lassen kann!

Fazit:

Für Fräulein Tochter und mich als Mutter haben sich die Tage der offenen Tür in vielerlei Hinsicht als vorteilhaft erwiesen. Neben den für mich wichtigen Informationen zu Klassenstärken, Schwerpunktsetzung der jeweiligen Lehranstalt etc. war das entscheidende Kriterium der Wohlfühlfaktor. Im Laufe der Wochen hatte der Familienrat vereinbart, dass unser Kind die Wahl ihrer Schule stark mitbestimmen darf und es davon abhängig machen soll, wo sie sich gut aufgehoben fühlt. Ich bin überzeugt, dass nachhaltiges Lernen nur an einem Ort möglich ist, den man gerne aufsucht! Die technische Aussattung, das Angebot an Wahlfächern und Zweigen sind für mich zweitrangig.

Die Entscheidung für eine Schule hat meine Tochter noch nicht getroffen. Es sind noch einige Wochen Zeit, die ich ihr auch geben möchte, um alle Erfahrungen wirken lassen zu können. Es bleibt spannend!

Checkliste: Darauf sollten Eltern beim Schulwelchsel achten

  • Jeder hat so seine eigenen Vorstellungen, seine eigene Geschichte und seine eigenen Erfahrungen. Lassen wir unseren Kindern doch den Raum ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Wir Eltern können und sollten sagen, was unsere Meinung ist. Allerdings immer mit dem Hinweis „Ich finde“. Am Ende sollten Kinder meiner Ansicht nach selbst den größten Anteil an der Entscheidung haben. Wer selbst entschieden hat, der tut sich auch leichter hinter der Wahl zu stehen.
  • Sich klar machen: Es gibt kein „absolut richtig“ und kein „absolut falsch“. Dass eine Schule in diesem Moment die Richtige ist heißt nicht, dass sie in jedem Moment in den nächsten Jahren die einzig Perfekte sein muss. Zu viel Druck bei der Entscheidung macht also keinen Sinn. Es lässt sich nicht voraussagen, wie sich ein Kind und seine Interessen entwickeln. Und es ist auch Glück dabei. Nicht alle Lehrer an einer vermeintlich guten Schule sind motiviert.

An diesen Punkten kannst Du erkennen, ob es sich grundsätzlich um eine „gute“ Schule handelt. Es handelt sich bei den Punkten um die Kriterien der Bosch-Stiftung für den Deutschen Schulpreis:

  • Leistung:Leistungsstarke Schulen erkennt man daran, dass Schüler besondere Leistungen zum Beispiel bei Wettbewerben erzielen. Bringt eine Schule beispielsweise viele erfolgreiche Teilnehmer bei Jugend forscht hervor, gibt es besondere Projektarbeiten oder Schüler mit musikalisch herausragender Leistung und kann man das auf die Schule zurückführen, so ist klar: Die Kinder werden hier in ihren Talenten besonders gefördert.
  • Umgang mit Vielfalt:Jeder Schüler hat seine/ihre eigenen Voraussetzungen. Wie geht die Schule damit um? Wie werden die unterschiedlichen Leistungsmöglichkeiten, Interessen, kulturellen Hintergründe und auch die Unterschiedlichen Herkunftsfamilien integriert. Gibt es Projekte zu Gleichberechtigung, Vielfalt oder ähnlichem?
  • Unterrichtsqualität:Lernen heißt heute, dass Schüler dazu motiviert werden ihr Lernen selbst in die Hand zu nehmen. Wie sieht es an der Wunschschule also zum beispiel mit praxisorientiertem Lernen und auch mit Lehrerfortbildungen aus?
  • Verantwortung:Ein achtsamer und verantwortungsvoller Umgang miteinander rückt immer mehr in den Fokus. Hat die Schule zum Beispiel Methoden und langfristige Strategien zur gewaltfreien Konfliktlösung erarbeitet? Verantwortungsvolle Schulen fördern Mitwirkung und demokratisches Engagement, Eigeninitiative und Gemeinsinn sowohl im Unterricht als auch außerhalb des Unterricht.
  • Schule als lernende Institution:Schulen sollten Vorbild sein: Eine partnerschaftliche und zielorientierte Zusammenarbeit unter den Kollegen, demokratisches Management, Lehrermotivation sind Eigenschaften, die Schulen haben, die lernbereit sind. Frag beim Gespräch zum Beispiel danach, welche Methoden der Evaluation angewendet werden und wie die Ergebnisse dann umgesetzt werden.
  • zusätzlich: Übergang erleichtern: Auch das wäre für mich noch ein wichtiger Punkt, der aber nicht durch den Deutschen Schulpreis abgebildet wird. Wie gut gelingt der Übergang von der Grundschule in die neue Schulform? An einigen Schulen gibt es eigene Konzepte oder Tutorprogramme um den Kindern die Ankunft zu erleichtert.
  • Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner:Alle Menschen, die am Schulleben beteiligt sind: Eltern, Mitarbeiter, Schüler, Eltern und so weiter – pflegen einen positiven Umgang in gutem Klima. Auch nach außen hin und zur Öffentlichkeit präsentiert sich die Schule idealerweise offen und aufgeschlossen.

Das Schulklima finde ich persönlich besonders wichtig. Gleichzeitig lässt es sich beim Besuch natürlich nicht abfragen. Achte aber doch zum Beispiel darauf, wie Lehrer und Schüler beim Tag der Offenen Tür miteinander umgehen. Achte außerdem darauf wie die Schüler in der Pause miteinander umgehen. Wirken die Schüler im Unterricht entspannt? Sind Direktor, Sekretariat und so weiter für die Schüler im Alltag zugänglich? Und nicht zuletzt: Wie ist das Gebäude innen und außen gestaltet: identifizieren sich die Schüler mit dieser Schule und packen freiwillig mit an?

Viel Erfolg bei der Entscheidung!

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