Mein Kind hört nicht – wenn Kinder nicht kooperieren

Von seinem Kind echten Gehorsam zu verlangen, ist sicherlich ein Relikt aus alter Zeit. Kinder müssen heute nicht mehr blind gehorchen, sie sollen allerdings kooperieren – mit den Eltern zusammenarbeiten. Wir Eltern wollen (in den meisten Familien) diejenigen sein, die in der Familie den Ton angeben und die Richtung weisen. Eltern sollten Leitwölfe sein. Diesen Ausdruck hat Jesper Juuls geprägt und ich finde ihn total passend.

Eine gute Beziehung als Basis

Damit Kinder und Eltern harmonisch miteinander leben können, muss die Basis stimmen. Ein respektvoller Umgang geht in erster Linie von den Eltern aus. Eine Beziehung, die auf Vertrauen basiert, bietet den idealen Nährboden für eine gesunde Kindheit. Kinder haben gewisse Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Verlässlichkeit, Wärme, nach einem „dazu-gehören“. Wenn diese Grundbedürfnisse befriedigt sind, ist ein gesundes Aufwachsen möglich.

Positive Grundstimmung

Sich in andere hineinzuversetzen ist eine Fähigkeit, die Kinder erst ungefähr mit vier Jahren entwickeln. Empathie kann man von kleinen Kindern nicht erwarten. Von uns Erwachsenen aber schon. Versetzen wir uns also in unser Kind. Ist es verwunderlich, dass es keine Lust hat motzige Befehle auszuführen oder Aufgaben zu übernehmen in denen es keinen Sinn sieht? Wir als Eltern sind gefragt, wenn es darum geht uns hineinzufühlen in unsere Kinder, ihre Beweggründe zu verstehen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Wir sind an der Reihe, wenn es darum geht, den Kindern in der Familie einen Platz einzuräumen und ein gemeinsames Wir-Gefühl zu schaffen. Erst danach kommt die Sache mit dem Leitwolf. Erst wenn Kinder das Gefühl haben, dass sie gehört und wichtig genommen werden, können wir von ihnen erwarten, dass sie kooperieren. Dann kann es sich an den Eltern orientieren und – wenn es drauf ankommt – auch hören.

Wer angenommen ist, der kooperiert auch gerne

Kinder wollen Teil des Systems Familie sein. Sie nehmen Schwingungen auf und spiegeln diese wider. Über den Tag hinweg fällt oft gar nicht auf, wie sehr unsere Kinder eigentlich kooperieren. Wie der Dreijährige dabei hilft den Autoschlüssel zu suchen. Wie die Siebenjährige die Spielsachen in den Schrank räumt, als die Mutter sie bittet. Oder wie die Kinder beim Einkaufen an diesem Tag geduldig oder beim Abendessen hilfsbereit waren: Das Alles wird von uns oft als selbstverständlich hingenommen. Erst wenn die Kinder mal nicht machen, was wir verlangen, da fällt es uns auf. Dann kommt es zum Streit. Zurück bleibt der Eindruck, dass die Kinder nicht hören. Auch wenn das die Ausnahme ist.

Müssen Kinder gehorchen?

Jein. Blinder Gehorsam macht keinen Sinn. Hinterfragen ist an sich nichts Schlechtes – auch in Hinblick auf das spätere Leben. Ich wünschte viel mehr Erwachsene würden hinterfragen statt blind zu folgen. Dennoch ist es nicht grundsätzlich falsch von seinen Kindern zu erwarten, dass sie auf ihre Eltern hören. Es ist wichtig Kinder ernst zu nehmen und sie selbst Entscheidungen treffen zu lassen. Ebenso wichtig ist es aber auch, sie nicht mit Fragen zu belasten, die sie de facto gar nicht beantworte können.  Eltern dürfen Entscheidungen für ihre Kinder treffen.

Und wenn das Kind nicht auf mich hört….

Dann heißt es auf Ursachenforschung gehen. Sich ins Kind hineinversetzen, kann unheimlich helfen. Mögliche Gründe für „nicht hören wollen“:

  • Overload: vielleicht war es einfach zu viel an diesem Tag: zu oft kooperieren und einfach keine Lust mehr haben. Wenn wir als Erwachsene müde sind, haben wir auch keine Lust mehr. Unseren Kindern sollte wir schlechte Laune auch zugestehen.
  • Überforderung: Wenn Kinder Aufgaben gestellt bekommen, die schlicht zu schwierig sind, dann ist es kein Wunder, dass sie die Kooperation beenden: Zimmer aufräumen gehört zu den Klassikern, die lange einfach zu schwierig für Kinder sind. Es fehlt der Überblick. Was hilft ist konkrete kleine Aufgaben: Die Wäsche in den Wäschekorb räumen oder: die Bausteine in die blaue Box.
  • Aufmerksamkeit: Erwünschtes Verhalten ist für uns oft selbstverständlich. Zu oft bekommen die Kinder mit einer angepassten Art einfach wenig Aufmerksamkeit. Erst wenn sie etwas besonderes machen, werden wir wachsam. Könnte das der Grund für´s Rebellieren sein?: dass die Kinder anders gerade nicht unsere Aufmerksamkeit bekommen, die sie aber gerne hätten?
  • Spiegeln: Was wir sagen hat mehrere Ebenen: Die Worte, die wir sprechen sind nur eine dieser Ebenen. Was beim Kind ankommt steht auf einem ganz anderen Blatt. Wenn Kinder Aggressionen oder Ablehnung wahrnehmen, dann spiegeln sie sie nicht selten.
  • Nicht das Gesicht verlieren wollen: Kennst Du das? Man hat mal irgendetwas gesagt oder getan, was blöd war, man weiß auch, dass es blöd ist, aber man kann trotzdem nicht zurück? Genauso geht es doch den Kindern manchmal. Stell Dir vor, Dein Kind möchte an irgendeinem Punkt nicht so wie Du willst. Schuhe anziehen im Winter zum Beispiel. Auch wenn es Deine Argumente versteht kann es vielleicht nicht zurück. Es ist schwer die eigene Position aufzugeben.

Die Lösung: So gehorchen Kinder

Der Titel ist etwas provokant, das sehe ich ein. Es gibt natürlich kein Geheimrezept mit dem Kinder plötzlich zu funktionierenden Robotern werden. Das will wahrscheinlich auch keiner. Was wir aber tun können:

  1. Die Position der Kinder ernst nehmen und versuchen sie zu verstehen. Das kann manchmal so erhellend sein. Kinder haben immer einen Grund. Wir als Erwachsene müssen ihn nur herausfinden (wollen).
  2. Den eigenen Blickwinkel ändern: Uns fällt oft einfach zu sehr auf, was nicht klappt. Aber hat das Kind heute nicht auch an vielen Stellen kooperiert und haben wir das genug wahrgenommen?
  3. Lohnt sich kooperieren? Eine komische Frage vielleicht, aber wenn Kinder tatsächlich zu wenig Rückmeldungen bekommen und wir als Eltern nur auf Fehlverhalten reagieren, ist es dann nicht verständlich, dass Kinder ihre Strategie ändern. Im Alltag bekommen Kinder, die nicht kooperieren in der Regel mehr Beachtung. Es ist an uns das zu verändern. Wir müssen die Kinder nicht ständig loben – aber Wertschätzung und Beachtung ist doch nicht zu viel verlangt.
  4. Wir-Gefühl schaffen: Ich habe den Eindruck meine Kinder wollen gerade dann, wenn die Luft dicker wird ein Wir-Gefühl schaffen. Mein Sohn will dann zum Beispiel von mir angezogen werden oder meine Tochter will mir ihre neueste Turnübung zeigen, obwohl ich grade Essen koche. Manchmal hat man den Eindruck, die Kinder wollen einen ärgern. Ich glaube nicht, dass das so ist. Vielleicht wollen sie einfach gemeinsame positive Erlebnisse schaffen und sich versichern: ich werde beachtet und ich bekomme Zuwendung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Kinder deutlich schneller wieder gehorchen/kooperieren und die Stimmung besser wird, wenn ich einen Schritt auf sie zumache.  Oder zwei.
  5. Kinder sind, was Du über sie sagst. „Du bist immer so frech! – Nie hörst Du auf mich!“ Solche Sätze sollten wir uns tunlichst verkneifen. Am Ende werden sie noch wahr. Auch schlecht reden über die Kinder, wenn sie es mitkriegen, führt dazu, dass die Kinder die Verhaltensweisen, die wir ihnen zuschreiben umso stärker an den Tag legen. Hast Du das auch schonmal bemerkt?
  6. Vergeben und vergessen. Wenn man einmal anfängt voneinander genervt zu sein, dann wird es schwierig aus der Spirale wieder herauszukommen. Irgendjemand muss der Klügere sein und nachgeben. „Ich mag nicht, wie wir gerade miteinander umgehen. Ich fühle mich damit nicht gut. Wie geht es Dir gerade?“ so etwas in der Art kann doch ein kleiner Gesprächseinstieg sein. Manchmal offenbaren sich Lösungen dann ganz von selbst.
  7. Klarheit in der eigenen Sprache: „Wir gehen dann.“ ist eine recht schwammige Auskunft. „Bitte zieh Dich an. Wir fahren gleich los“ Ist schon deutlicher.

Wenn aus Nicht-kooperieren-wollen ein handfester Wutanfall wird, dann ist das zwar im Moment besonders ärgerlich. Aber sei Dir sicher: Wutanfälle haben auch ihre positiven Seiten.

Mein Kind gehorcht nicht was kann ich tun? Mögliche GRünde dafür warum ein Kind nicht hört

Schreibe einen Kommentar