Buß- und Bettag: warum ich mein Buße tun auf morgen verschiebe

Heute ist Buß- und Bettag. Dieser Tag ist dafür gemacht, dass Protestanten Buße tun. Es ist 6 Uhr morgens und ich bereite das Frühstück für meine Kinder vor. Wenn ich heute Buße tun wollte, müsste ich es schon getan haben. Denn den Tag über wird dafür kein Platz sein. Komisch, denn schließlich gehöre ich zu genau der Bevölkerungsgruppe, die vornehmlich frei nehmen mussten: Eltern. Die Kirche mag es bedauern, aber die meisten Leute arbeiten und nehmen ihr Recht auf einen freien Tag nicht wahr. Dieser Buß- und Bettag ist für alle, die keine Kinder haben ein ganz normaler Tag. Kollegen und Geschäftspartner interessiert dieser Feiertag nicht. Ich werde also heute noch mehr als an jedem anderen Tag versuchen müssen alles unter einen Hut zu bringen. Die Kinder werden zu Hause sein und zu Recht nach mir verlangen. Gleichzeitig verlassen sich Kollegen und Kunden auf mich. Ich halte mich nicht für unersetzlich – ganz und gar nicht. Aber ich bin nicht nur Teil einer Familie, ich bin auch Teil des Arbeitsprozesses im Erwerbsleben.

Ungleichheit mit Ansage

Ich möchte nicht, dass meine Kolleginnen und Kollegen sowie meine Kunden von meiner Mutterschaft belastet werden. Es gibt viele Dinge, die passieren können und dazu führen, dass ich auf der Arbeit nicht die volle Leistung bringen kann: Meine Kinder können krank sein, der Kindergarten kann einen Erzieher-Engpass haben oder die Tagesmutter fällt kurzfristig aus. Es gibt viele Gründe dafür, dass ich das Verständnis Kinderloser benötige – die Meisten kommen plötzlich und unvermeidbar. Der Buß- und Bettag aber kommt mit Ansage. Dass er unter der Woche ist, ist vermeidbar, dass Schulen und Kindergärten geschlossen sind ebenfalls. Eltern sein und dabei trotzdem ein gleichwertiges Mitglied im Arbeitsprozess: Das ist schwer. Wir Eltern geben dabei jeden Tag unser Bestes. Es bedarf Opfer, es bedarf viel Zusammenreißen und es bedarf ein Bemühen von allen Seiten. Die Politik sollte Eltern dabei unterstützen. Der Buß- und Bettag dagegen schafft weitere Hürden und lässt die Gräben tiefer werden. Von einer Gleichberechtigung zwischen Eltern und Nicht-Eltern keine Spur.

Auferlegte Familienzeit: Buß und Bettag mit Kindern

Die Mitarbeiterin bei einem Kindergartenträger sagte einst zu mir nachdem ich mich über die Schließung des Kindergartens an einem normalen Arbeitstag beklagt hatte:

„Ihr werdet es schon einmal im Jahr mit euren Kindern aushalten.“

Das zeigt für mich nur wie Träger und vermutlich auch Politik keinerlei Verständnis dafür haben, worum es eigentlich geht. Es geht nicht darum, dass ich mir nicht gerne mit den Kindern einen Tag Urlaub gönne, es geht vielmehr darum, dass ich keine Wahl habe, wann dieser Tag ist. Es geht darum, dass Eltern nicht systematisch benachteiligt werden dürfen.

Alternativ zum „zu Hause betreuen“ bieten viele Firmen ja auch an, dass die Kinder an diesem Tag mit in die Arbeit gebracht werden dürfen. Das zeigt, dass Wirtschaft und Eltern trotz der Vorgaben von Kirche und Politik natürlich einen Weg finden. Dass dieser Weg im Sinne der Kirche ist, wage ich aber zu bezweifeln. Mit den Kindern auf der Arbeit. Nie waren die Menschen weiter von einem Tag voller Buße und Beten entfernt.

Buß und Bettag reformieren

Der Buß- und Bettag ist einst eingeführt worden als Tag an dem Protestanten Buße tun. An sich ist der Gedanke wunderbar: Seine Sünden und Verfehlungen vor sich selbst und vor Gott einzugestehen und daran zu arbeiten ein besserer Mensch zu werden. Das ist ein hervorragendes Ziel. Die Umsetzung allerdings ist mehr als mangelhaft.

Schüler, viele Kindergartenkinder und Erzieherinnen sind zu Hause. Die meisten Erwachsenen arbeiten normal. Eltern sind zerrissen. Und für wen soll da Raum zur Buße bleiben? Niemandem ist mit einem solchen Feiertag gedient. Nicht den Kindern, nicht den Lehrern, nicht der Wirtschaft, nicht den Eltern und am allerwenigsten der Kirche!

Buß und Bettag nicht im Interesse der Kirche

Eltern und Arbeitgeber sind genervt von diesem Feiertag, der in Wahrheit keiner ist. Dank dieser unglückseligen Regelung zeigt sich die Kirche als ewig Gestrige. Ein Bild von Familien, in denen die Mutter ja ohnehin zu Hause ist oder ein paar Stunden arbeiten geht und das ruhig mal ausfallen lassen kann. Ein Bild ohne Bezug zur modernen Familie. Den Sinn dieses Feiertags könnte die Kirche um ein Vielfaches effektiver begehen, wenn an diesem Tag Kinder und Lehrer gemeinsam einen Gottesdienst feiern würden, wenn mit den Kindern an diesem Tag über das Thema Buße tun gesprochen werden würde oder wenn es andere besondere Aktionen gäbe. So könnte sich die Kirche positiv darstellen. Davon hätten dann auch alle etwas.

Jetzt sind die Kinder wach. Wenn Sie später spielen erledige ich die nötigsten Arbeiten im Homeoffice. Das waren meine persönlichen 10 Minuten an diesem Tag. Zum Buße tun hab ich dann morgen Zeit.

 

 

2 Gedanken zu „Buß- und Bettag: warum ich mein Buße tun auf morgen verschiebe“

  1. Schön, dass du es siehst wie ich und alle, mit denen ich gesprochen habe. Laut Kultusminister müsste dass Gesetz geändert werden, damit die Kinder in die Schule können. Leider ist das Thema nach dem Buß- und Bettag wieder in der Schublade der. Verantwortlichen verschwunden. Ich finde die derzeitige Lösung nicht in Ordnung, aber leider fühlt sich niemand zuständi

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